Im Innenbereich gibt es auch Leerstand, aber mit 27 Mietern ist das Kauf-Centrum recht ordentlich ausgelastet. Foto: factum/Granville

Zwei Interessenten liefern sich beim ersten Termin für die Zwangsversteigerung des Böblinger Einkaufszentrums ein Duell. Doch die Gläubiger lehnen das Angebot von 4,4 Millionen Euro ab. Die Mieter sind froh, dass erst einmal alles beim alten bleibt.

Böblingen - Um 15.24 Uhr wird es am Donnerstag im Gerichtssaal des Stuttgarter Amtsgerichts kurz hektisch. Ein Gebot von 3,95 Millionen Euro steht für das Böblinger Kauf-Centrum im Raum. „Zum Ersten“, ruft die Rechtspflegerin, „zum Zweiten!“ Da geht eine Hand hoch, „vier Millionen“, murmelt der Vertreter der Firma EST Projektentwicklung aus Mannheim. Sein Kontrahent sattelt sofort 50 000 Euro auf die Summe auf. Dann macht der Mannheimer Investor den Sprung auf 4,4 Millionen Euro – und im Saal bietet niemand mehr. „Wir stellen den Sieben-Zehntel-Antrag“, erklärt allerdings Jörg Becker, der Anwalt der Gläubiger. „Damit ist der Zuschlag zu versagen“, sagt die Rechtspflegerin. Wenn das Gebot 70 Prozent unter dem Verkehrswert liegt, kann es beim ersten Termin der Zwangsversteigerung abgelehnt werden. Und der liegt für das Kauf-Centrum bei acht Millionen Euro.

„Wie schauen, wie sich die Situation verändert“, erklärt Jörg Becker die Entscheidung der Gläubiger: „Heute war das Gebot zu gering, das Objekt ist mehr wert.“ Bei solchen Immobilien gilt die erste Versteigerungsrunde sowieso als reines Taktieren. Innerhalb von sechs Monaten muss der zweite Termin stattfinden, bei dem es keine Grenzen mehr gibt. Der Gläubiger kann zwar wieder das Angebot ablehnen, dann muss er jedoch die Auflösung des Zwangsversteigerungsverfahrens beantragen – und bleibt rein theoretisch vorerst auf seinen Forderungen sitzen. Die Verhältnisse im Fall des Kauf-Centrums sind allerdings etwas verworren. Als Gläubiger tritt die Dimple GmbH & Co. KG aus Frankfurt auf, die die Schulden der Eigentümergemeinschaft Lisker, Weiß und Singer von der SEB Bank übernommen hat. Laut Jörg Becker handelt es sich dabei um ein Unternehmen, das Forderungen aufkauft und nicht mit den Besitzern verbandelt ist. Neben ihm im Gerichtssaal sitzt in Samuel Singer aber ein Sohn von einem der Eigentümer.

„Glück gehabt“, sagt Max Nowak nach der Versteigerung. „Für uns verändert sie erst einmal nichts“, freut sich der Reformhaus-Betreiber, der ein großes Geschäft im Kauf-Centrum gemietet hat. Mit Thorsten Bode von der gleichnamigen Tanzschule ist er zur Zwangsversteigerung gekommen. „Wir machen uns Sorgen“, erklärt er. Auf dem Immobilienmarkt könnten momentan unglaubliche Summen geboten werden. „Wir kennen die Interessenten nicht und wissen nicht, was sie vorhaben“; sagt Max Nowak. Dabei sei für ihn sein neuer Standort ideal. Auch Thorsten Bode schwärmt von den Räumen für seine Tanzschule im Kauf-Centrum: „Für uns ist es die schönste Location“; sagt er. Eine solche Fläche zu finden in solch einer zentralen Lage, werde sehr schwierig.

Mieteinnahmen von knapp 64.000 Euro

Zur Versteigerung standen 77 Prozent des gesamten Kauf-Centrums, die es nur im Paket gibt. Dazu gehören 67 Prozent der Eigentümergemeinschaft sowie die Tankstelle an der Wolfgang-Brumme-Allee. Am Amtsgericht bezeichnete der Zwangsverwalter Günter Keller die Bausubstanz als „total in Ordnung“. Mieteinnahmen von knapp 64.000 Euro erzielt er im Monat aus 27 Vermietungen. Das große Problem ist seiner Ansicht nach die Teilungserklärung von 1967: Sie stimme nicht mehr mit dem aktuellen Bestand überein. Unter anderem wurden Geschäfte zu Lasten des Allgemeineigentums ausgebaut. Um sie zu verändern, ist die Zustimmung der anderen elf Eigentümer notwendig. Er hält die Immobilie deshalb „nicht für vermarktungsfähig“. Die Versteigerung ist aber auch nicht in seinem Interesse: In dem Fall würde er seinen Job als Zwangsverwalter verlieren.

„Das eigentliche Problem ist, dass man nicht das ganze Haus kaufen kann“, sagt auch Jörg Becker. Ansonsten hält der Anwalt das Kauf-Centrum für eine attraktive Immobilie. Beim nächsten Termin wird sich zeigen, ob sich für die Gläubiger und die Bieter „die Situation verändert“.

Langwieriges Verfahren

Verfahren
: Die erste Böblinger Shopping Mall steht seit sieben Jahren unter Zwangsverwaltung. Dass sich das Verfahren beim Kauf-Centrum in die Länge zieht, liegt an den Gläubigern und der Eigentümergemeinschaft. Der Rechtspflegerin zufolge hat die Klärung des Gläubigerwechsels von der SEB-Bank auf die Firma Dimple viel Zeit in Anspruch genommen.

Bieter:
Um das Kauf-Centrum haben beim ersten Zwangsversteigerungstermin zwei Investoren geboten. Das höchste Gebot kam von der Firma EST Projektentwicklung aus Mannheim, die sich noch in der Gründung befindet. Beim zweiten Bieter handelte es sich um eine Firma namens Gate 7 aus Frankfurt am Main. Für Investorenprojekte wie das Kauf-Centrum werden oft extra Gesellschaften gegründet.