Ein ziemlich maroder Betonbau: Im Fall der Paul-Lechler-Schule läuft aber bereits die Vorplanung für die Sanierung. Foto: factum/Granville

Die Stadt Böblingen will sich der Sanierung der teils in die Jahre gekommenen Schulen der Stadt annehmen. Ein externes Büro und mehr Personal sollen das Projekt vorantreiben.

Böblingen - Auf einmal soll es schnell gehen: Die Verwaltung will mithilfe einer Projektgruppe und einem externen Dienstleister den Sanierungsstau an den Böblinger Schulen auflösen. Einstimmig hat der Gemeinderat am Mittwoch dem Plan zu gestimmt. Weil im Rathaus keine Personalkapazitäten mehr vorhanden sind, soll ein Karlsruher Büro als „Bauabteilung auf Zeit“ engagiert werden. Seine Aufgabe ist, den Bestand zu untersuchen und eine Prioritätenliste für die Baustellen zu erfassen. Parallel dazu schafft die Verwaltung 3,5 zusätzliche Stellen für den Aufbau einer Projektgruppe, die sich nur den Schulsanierungen widmet. „Sind wir mutig, gehen wir das Projekt schnell an“, appellierte der Erste Bürgermeister Tobias Heizmann an den Gemeinderat.

Die Stadträte reagierten mehrheitlich mit Begeisterung auf den Vorschlag. „Wir wollen nicht Schuldigkeiten suchen oder Versäumnisse“, hatte Tobias Heizmann zuvor gesagt. Er betonte aber, dass sich der Gemeinderat beim Thema Schulsanierungen keiner Lösung verwehrt habe. „Es ist gut, dass es einen Anfang gibt“, kommentierte Florian Wahl (SPD) den Vorstoß. In der Vergangenheit habe der Gemeinderat die Verwaltung immer wieder von der Dringlichkeit der Aufgabe überzeugen müssen. „Den frischen Wind auf der Bank, der zumindest zu zwei Dritteln herrscht, finden wir gut“, sagte Daniel Wengenroth für die Freien Wähler. Gemeint waren damit Tobias Heizmann, der seit vergangenen Oktober im Amt ist, und der neue Oberbürgermeister Stefan Belz, die mit der Baubürgermeisterin Christine Kraayvanger dem Gremium vorsitzen.

„Euphorische Grundstimmung“ im Saal

„Das ist schon eine Hausnummer“, sagte Peter Grotz (CDU) über die finanziellen Auswirkungen der Entscheidung, die sich allein in den nächsten Jahren auf 16,7 Millionen Euro belaufen. Normalerweise hätte der Vorschlag in den Ausschüssen des Gemeinderats vorberaten werden müssen. Um Zeit zu gewinnen, hatte Tobias Heizmann den direkten Weg gewählt. Dies müsse die Ausnahme bleiben, betonte der CDU-Stadtrat. Er freute sich zwar auch über die „euphorische Grundstimmung“ im Saal, musste jedoch Wasser in den Wein gießen, weil vor sechs Jahren auf Drängen des Gemeinderats bereits eine Liste der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen erstellt worden war. „Warum dauert es so lange, bis man zur Erkenntnis kommt, dass diese Liste keine Handlungsanweisungen erhält“, fragte er. Helmut Kurtz (FDP) mahnte, dass bei diesem Programm wenig Platz für weitere Investitionen bleibe. Und Willi Braumann (CDU) äußerte die Befürchtung, dass nun die Kindergärten links liegen gelassen würden.

„Die Liste wird keineswegs in den Müll geworfen“, konterte Christine Kraayvanger, „damit arbeitet die Projektgruppe.“ Für die Aufstellung eines konkreten Arbeitsprogrammes habe es bisher jedoch an Ressourcen gefehlt. Mit zwei Ingenieuren und einem Koordinator soll die Projektgruppe zunächst starten. Es kann allerdings Monate dauern, bis das Personal dafür gefunden ist. Eigene Räume werden für das Team gesucht – außerhalb des Rathauses und der klassischen Ämterstrukturen. Wie viele Stellen die Gruppe noch braucht, soll sich mit der Erstellung des Sanierungsprogramms zeigen. Die Aufgabe ist groß: Manche Gebäude werden möglicherweise abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Neue pädagogische Anforderungen sollen jetzt ebenfalls berücksichtigt werden.

Komplett vernachlässigt wurden die 20 Böblinger Schulen in der Vergangenheit nicht. Dem laufenden Unterhalt und den strengeren Vorgaben für den Brandschutz wurde laut Tobias Heizmann immer nachgekommen. Der Schwerpunkt lag aber in der Erstellung von zusätzlichen Gebäuden wie Mensen oder für die Ganztagsbetreuung. „Die Wahrscheinlichkeit, dass noch in diesem Jahr ein Sanierungsfall angegangen wird, tendiert gegen null“, räumte der Erste Bürgermeister auch ein. So schnell wird sich das Problem nämlich nicht lösen lassen: Es zieht sich mindestens bis zum Jahr 2032 hin – und wird zwischen 50 und 180 Millionen Euro verschlingen.

Aufbruch und Harmonie

Zitat:
Mit einem Zitat von Juri Gagarin hat Böblingens neuer Oberbürgermeister am Mittwoch seine erste Gemeinderatssitzung eröffnet. „Los geht’s“, sagte der Astronaut, als er 1961 als erster Mensch in den Weltraum katapultiert wurde. Dass sich Stefan Belz den Spruch zu eigen machte, passt: Der Luft- und Raumfahrtingenieur ist durch seine Wahl ins Rathaus katapultiert worden. „Das klare Votum zeigte, dass die Bürgerschaft bereits ist für einen mutigen Aufbruch“, erklärte er die Wahl seiner Worte.

Ansprache:
Vertrauen sieht Stefan Belz als das zentrale Fundament seiner Arbeit. Mit dem Vertrauen der Wähler wolle er sorgsam umgehen, Veränderungen anpacken und mehr Lebensqualität in der Stadt schaffen. Statt sich im Klein-Klein zu verlieren, sei wichtig, „dass wir jetzt an einer besseren Vision für Böblingen arbeiten“, erklärte der OB. Für Juli kündigte er einen Fahrplan für die Umsetzung seiner Wahlkampfthemen an. Das Stadtticket, sozial gerechter gestaffelte Kindergartengebühren, die Aufwertung des Schlossbergs sowie die Schlichtung des Streits über den Fernwärmepreis zählte er unter anderem auf. Dass er in der aktuellen Ausstellung des Fleischermuseums als Eier legende Wollmilchsau dargestellt werde, erwähnte Stefan Belz. „Ich soll Fahrrad fahren, Vorbild sein und rechtzeitig geschniegelt auf Terminen erscheinen“, sagte er als Beispiel für seine vielen Aufgaben und Ziele. Aber mit ihren 14 Ämtern und der Stabstelle für Beteiligungsmanagement habe die Verwaltung eine gute Struktur für diese Veränderungen.

Reaktion:
Ein Zitat gab auch Hans-Dieter Schühle (CDU) dem neuen Oberbürgermeister mit auf den Weg: „Ein guter Anfang braucht Begeisterung, ein gutes Ende Disziplin“, sagte er und lobte Stefan Belz für seinen bisherigen Enthusiasmus im neuen Amt. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bot der CDU-Fraktionschef ihm an. „Eine glückliche Hand und Gottes Segen“, wünschte sein SPD-Kollege Florian Wahl dem neuen OB: Einen starken Gemeinderat solle er nicht als Bedrohung, sondern als Schatz erachten. „Durchmärsche sind in der Demokratie selten etwas Gutes“, erklärte er. „Ein gutes Miteinander ohne Polemik“, erhofft sich Ingrid Stauss (Freie Wähler) für die Zukunft, der sie optimistisch entgegenblickt. „Einen langen Atem“ wünschte ihm sein Parteikollege Sven Reisch, „viel Glück“ Helmut Kurtz (FDP).