Das Bodenseeforum ist Endpunkt der neuen Uferpromenade, die von der alten zur neuen Rheinbrücke verläuft. Foto: Wolfgang Scheide

Konstanz hat in Rekordtempo eine ehemalige Solarfabrik zu einem Kultur- und Veranstaltungshaus umgebaut. Zum Start quittiert der Geschäftsführer seinen Dienst, der Betrieb schreibt tiefrote Zahlen. Trotzdem sind – fast – alle glücklich.

Konstanz - In Ludwigsburg hat der Schauspieler Ben Becker jüngst bei einer Lesung einen Fotografen geschlagen. Insofern hat Friedhelm Schaal Glück gehabt. Den Interimsgeschäftsführer des Konstanzer Bodenseeforums traf nur ein verbaler Tiefschlag des Exzentrikers. Sonst gastiere er ja in Kirchen oder schönen Theatern, sagte Becker, als der Applaus abebbte. Dann seufzte er kopfschüttelnd: „Und jetzt in dieser Mehrzweckhalle.“

Was er da mal eben so abqualifizierte, ist der ganze Stolz des Oberbürgermeisters Uli Burchardt (CDU) und die wichtigste Errungenschaft während seiner nun fünf Jahre währenden Amtszeit. Beim Umbau einer leer stehenden Industriehalle war Burchardt der entscheidende Motor. 2010 hatte ein Bürgerentscheid alle hochfliegenden Pläne für ein Konferenz- und Konzerthaus in der 83 000-Einwohner-Stadt zunichte gemacht. Nun bot sich die Chance, doch noch zum Ziel zu kommen – zwar auf der anderen Rheinseite, dafür aber in Rekordzeit. Üblicherweise wird in Konstanz über wichtige Projekte viele Jahre diskutiert.

1,7 Millionen Euro Miese in drei Monaten

Doch die Eile hat ihren Preis. Gerade hat Schaal die Bilanz für das erste Geschäftsjahr vorgelegt und ein Minus von 1,7 Millionen Euro ausgewiesen, 800 000 Euro mehr als erwartet. Dabei hat das Bodenseeforum (1100 Plätze) erst am 21. Oktober eröffnet. Das war der letzte Termin mit dem eigens eingekauften Geschäftsführer. Kurz darauf trennte man sich – offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Eine Abfindung in sechsstelliger Höhe zog die Bilanz ins Minus. Auch der technische Leiter ging. Andere Stellen blieben vakant, Leistungen mussten teuer eingekauft werden, die Akquise stockte. Man habe nur die Hälfte der erhofften Einnahmen erzielt, räumt der Interimsgeschäftsführer Schaal ein, der eigentlich fürs Stadtmarketing zuständig ist.

Die Pechsträhne begann, als noch keiner an ein Kulturhaus dachte. Es war im September 2010, da legte die Firma Centrotherm den Grundstein für ein neues Forschungszentrum am Seerhein. „Wir wollen Freiburg den Rang als Solarhauptstadt streitig machen“, sagte der Technikvorstand Peter Fath damals. Doch kurz nach dem Einzug ging das Blaubeurener Solarunternehmen Konkurs. Eine Nachnutzung zu finden, war schwierig. Die Stadt hatte entlang des Seerheins mit viel Aufwand aus einem Industriegebiet ein schmuckes Wohn- und Gewerbegebiet mit Promenade und strengen Umweltauflagen gemacht. Schließlich kaufte sie selbst das Gebäude für 14,2 Millionen Euro. Fast zehn Millionen steuerte die Industrie- und Handelskammer (IHK) bei, die in den oberen Stockwerken ihre Zentrale einrichtete. Die Stadt machte sich im unteren Bereich an den Umbau. Doch Künstlerpech auch hier: am Tag der Auftragsvergabe meldete die ausgewählte Baufirma Konkurs an.

„Furzstrockene Akustik“

Ja, natürlich sei das Bodenseeforum eine Mehrzweckhalle, sagt der Geschäftsführer Schaal nun tapfer, „aber eine sehr niveauvolle“. Das kann man auch erwarten. Mehr als 17 Millionen Euro hat die Stadt in den Umbau gesteckt. Und die Summe könnte wegen diverser Kinderkrankheiten noch steigen. Die WLAN-Anlage ist zu schwach, das Raumklima muss verbessert werden, und wenn bei Konzerten eine Nebelmaschine läuft, geht der Feueralarm los.

In Konstanz ist man dennoch zufrieden. Der Gemeinderat genehmigte bereits die „einmalige Kostensteigerung“. Es gebe nun Veranstaltungen, für die man bisher nach Singen oder Friedrichshafen fahren musste, sagt Schaal. Allen Zwecken wird die Mehrzweckhalle aber nicht gerecht. Vergangene Woche gastierte erstmals die Südwestdeutsche Philharmonie im Bodenseeforum. Die Akustik sei „furztrocken“, urteilte die Kritikerin des „Südkurier“. „Der Raum ist für unverstärkte Musik leider nicht geeignet“, pflichtete der Orchesterintendant Beat Fehlmann bei. Er wird wohl weiterhin im Konzil konzertieren, auch wenn dort bevorzugt an Pianostellen die nahe Bahn vorbeirattert. Immerhin, der Saal dürfte auch Ben Becker gefallen.