Karl-Otto Rothaupt vom Limnologischen Institut Konstanz (Baden-Württemberg) hält ein Glas mit Bodenseewasser versetzt mit Burgunderblutalgen. Foto: dpa

Am Bodensee breitet sich die Burgunderblutalge aus. Warum das so ist, stellt Forscher der Universität Konstanz vor Rätsel.

Konstanz - Es ist ein Moment des Schreckens: Im August 2016 will der Berufsfischer Andreas Geiger am Bodensee eines seiner Netze einholen - doch plötzlich sind seine Hände mit rotem Schleim bedeckt. Und was Geiger noch mehr erschreckt: Die Fische im Netz sind tot. Grund dafür ist möglicherweise eine Alge, die wegen ihrer weinroten Färbung den geschichtsträchtigen Namen Burgunderblutalge trägt. Woher sie kommt - und wie gefährlich sie für den Fischbestand ist - darüber wird am Bodensee derzeit diskutiert.

Dabei ist die Alge, die den Berufsfischern Probleme machen könnte, eigentlich gar keine wirkliche Alge, sondern ein fadenförmig auftretendes Bakterium, wie Karl-Otto Rothhaupt vom Limnologischen Institut Konstanz sagt. Der Wissenschaftler befasst sich intensiv mit dem noch rätselhaften Lebewesen, seit es an den Probeentnahmestellen des Instituts im Überlinger See massenhaft aufgetreten ist. „Sie ist in den letzten Jahren auffällig geworden“, sagt Rothhaupt.

In Bergseen ist die Burgunderblutalge schon länger bekannt - im Bodensee als Massenphämonen dagegen ein Novum. Und im aktuellen Streit um die Berufsfischerei in der Region wird sie plötzlich auch zum Politikum. Denn die Fangerträge der Fischer gehen seit Jahren zurück. 2015 lag der Gesamtertrag bei rund 261 Tonnen - nach Angaben der Internationalen Bevollmächtigtenkonferenz für Bodenseefischerei (IBKF) das schlechteste Ergebnis seit fast 100 Jahren.

Die Fischer sehen den Grund für die sinkenden Erträge vor allem im niedrigen Nährstoffgehalt des Wassers. Sie fordern schon langem eine moderate Erhöhung des Phosphatgehalts, damit die Fische mehr Nährstoffe bekommen. Das Aufkommen der Burgunderblutalge gibt dieser Argumentation aus ihrer Sicht neuen Auftrieb: Denn Forscher am Züricher See, wo die Alge schon länger Thema ist, bescheinigen ihr in Zeiten eines wärmer und sauberer werdenden Wassers eine buchstäblich blühende Zukunft.

Fischer bleiben skeptisch

Die Alge wächst demnach am liebsten in 15 bis 20 Metern Wassertiefe - und genau dieser Fakt lässt die Fischer unken. Ihrer Ansicht nach beschert die starke Reinheit und Lichtdurchlässigkeit des nährstoffarmen Wassers der Alge optimale Lebensbedingungen. Dadurch, so das Argument der Fischer, setze die Phosphatreduzierung im Bodensee vor allem Felchen doppelt zu: Der Delikatesse vom Bodensee fehle es zu Lebzeiten an Futter und die rote Alge vergifte auch noch ihren Lebensraum.

Was noch hinzukommt: Das Agrarministerium in Stuttgart wirbt bei den Bodensee-Fischern derzeit für eine Fischzucht, entweder in Netzgehegen im See oder im Zuchtbecken an Land. Geiger bleibt bei diesem Thema aber skeptisch. Er sagt: Die Alge könnte für die in der Aquakultur konzentrierten Tiere eine Gefahr darstellen. 90 Prozent der Fische in seinem Netz seien schon tot gewesen, als er es aus dem Wasser zog: „Und bei den anderen fehlte nicht viel. Es ist nicht klug, in solch einem Gebiet Netzgehege zu installieren.“

Auf eine solche Gefahr für Aquakulturen möchte Wissenschaftler Rothhaupt sich nicht festlegen. Es sei aber erwiesen, dass Fische schon bei geringeren Konzentrationen an Algenzellen gestresst reagierten, sagt der Forscher. Und die Alge könnte im Bodensee häufiger vorkommen, als bislang bekannt: „Sie ist meist in 15 Metern Wassertiefe. Man sieht sie ja nicht.“

Zusammen mit der Universität Zürich versuche sein Institut nun, der Alge weiter auf die Spur zu kommen. In einer Hinsicht beruhigt die Wissenschaft jetzt schon: Für die Trinkwasserversorgung sei die Burgunderblutalge kein Problem, weil das Trinkwasser aus dem Bodensee in größeren Tiefen entnommen wird.