Das Herzstück der Bodensee-Wasserversorgung auf dem Sipplinger Berg Foto: Bodensee-Wasserversorgung

Die Lebensgrundlage von vier Millionen Menschen in Baden-Württemberg kommt aus einem kleinen Örtchen am Bodensee. Das erkennt aber nur, wer in die Tiefe geht.

Sipplingen/Stuttgart - Sipplingen am Bodensee. Auf den ersten Blick würde kaum jemand vermuten, welch elementare Bedeutung das beschauliche 2100-Einwohner-Örtchen für 147 andere Städte und Gemeinden im Land hat. Der Kirchturm ist zwar markant, der Jachthafen modern und die Strandpromenade schmuck. Doch damit können auch andere Orte am Bodensee aufwarten.

Die Wichtigkeit von Sipplingen lässt sich nur vom Wasser aus erahnen. Vor dem Ufer ist ein etwa 140 Fußballfelder großes Areal mit gelben Tonnen abgesperrt – Boote und Schwimmer müssen draußen bleiben. An der Uferböschung kauert ein unscheinbares Technikgebäude. Nur wenn man an dieser Stelle 60 Meter tief tauchen würde, könnte man mit viel Glück die drei dicken Rohre erkennen. Mit ihnen pumpt die BodenseeWasserversorgung (BWV) jede Sekunde rund 4000 Liter Wasser aus dem See.

Dieser unscheinbare Uferabschnitt ist – poetisch gesprochen – die Quelle des Lebens für vier Millionen Menschen zwischen Überlingen und Bad Mergentheim. Bevor das Wasser aber bei ihnen aus dem Hahn kommt, ist ein Kraftakt vonnöten. Die BWV muss das Rohwasser auf den 310 Meter höher gelegenen Sipplinger Berg befördern. In der dortigen Aufbereitungsanlage durchläuft es Mikrosiebe, Ozon- und Sandfilteranlagen. Erst dann geht es Richtung Norden.

Zwei größtenteils unterirdisch verlaufende Hauptleitungen verteilen das Wasser auf der Schwäbischen Alb, in Teilen des Schwarzwalds, im Neckarraum und im Odenwald. Das Leitungsnetz der BWV misst 1700 Kilometer. Eine von zwei Hauptleitungen durchquert die Schwäbische Alb in dem 24 Kilometer langen Albstollen. Zwei Tage braucht das Wasser von Sipplingen nach Stuttgart. Dort versorgt die BWV Gebiete im Süden, Westen und teilweise im Norden. Im Rest von Stuttgart kommt das Wasser aus dem Donauried.

Im Vergleich zu anderen Gewässern weist der Bodensee wenig Schadstoffe auf. Zu verdanken hat er dies seinem wichtigsten Zufluss: Schmelzwasser aus den Alpen. Der Härtegrad seines Wassers beträgt neun, das entspricht einer weichen bis mittleren Härte. Daher hinterlässt Bodenseewasser auch wenig Kalkablagerungen in Bad und Küche; Wasch-, Spül- oder Kaffeemaschinen haben mit ihm eine längere Lebensdauer und man kann sparsamer mit Shampoo und Waschmittel umgehen.

Insgesamt pumpt die BWV pro Jahr rund 125 Millionen Liter durch ihre Leitungen. Auf den Einzelnen entfällt im Schnitt ein Tagesverbrauch von 120 Litern – etwas weniger als eine gefüllte Badewanne. Zwar scheint diese Zahl auf den ersten Blick hoch. Doch Sorgen, dass der Bodensee bald leer gepumpt sein könnte, sind unbegründet.

Seit ihrer Gründung 1958 hat die BWV 5,7 Milliarden Liter aus dem See gepumpt. Das entspricht gerade einmal einem Fünftel seiner gesamten Füllmenge. Und: Jährlich wird weniger entnommen, als an der Oberfläche des Sees ohnehin natürlich verdunstet.