Dünne Schutzhülle und verletzliche Haut der Erde: Der Mensch tritt den Boden mit Füßen, behandelt ihn wie Dreck, missbraucht ihn als Mülldeponie. Er wird vergiftet und versiegelt, er erodiert und wird weggeschwemmt. Foto: Patrick Pleul dpa/lbn

Durch Raubbau, Versiegelung, Verschmutzung und Erosion wird fruchtbarer Boden immer knapper – auch in Deutschland. Dabei ist die Erde unter unseren Füßen unser kostbarstes Gut, ohne das wir nicht überleben können.

Potsdam/Dresden - Kein Haus in Deutschland ist mehr als 6,3 Kilometer von einem anderen Haus entfernt. In 99 Prozent der Fälle hat das nächste Haus sogar einen Abstand von höchstens 1,5 Kilometern. Deutschland ist also von einem dichten, zusammenhängenden Gebäude-Netz überspannt, wie Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in einer Studie herausfanden.

Das größte gebäudefreie Gebiet misst den Angaben zufolge gerade einmal 12,6 Kilometer im Durchmesser. Es liegt im Süden der Lüneburger Heide auf dem Truppenübungsplatz Bergen (6,3 Kilometer Entfernung zum nächsten Gebäude). Auch auf den Plätzen zwei bis fünf liegen Truppenübungsplätze: Baumholder in Rheinland-Pfalz (4,9 Kilometer), Hohenfels in der Oberpfalz (4,3 Kilometer) und Oberlausitz im Nordosten von Sachsen (4,2 Kilometer) sowie der ehemalige Truppenübungsplatz Kyritz-Ruppiner Heide in Brandenburg (4,4 Kilometer).

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Deutschland ist extrem dicht bebaut

Allein in Deutschland werden pro Tag mehr als 70 Hektar mit Fabrikhallen, Häusern und Straßen zugepflastert. Das sind über 100 Fußballfelder. Weltweit summiert sich der Verlust auf unvorstellbare zehn Millionen Hektar. Zum Vergleich: Die gesamte als Ackerland genutzte Fläche in Deutschland beträgt 11,9 Millionen Hektar.

Die globale Landfläche umfasst nach Angaben des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung rund 13 Milliarden Hektar Land. Davon sind etwa 3,2 Milliarden Hektar potenzielles Anbauland, wobei de facto knapp die Hälfte für die Landwirtschaft zur Verfügung steht.

Laut der Welthungerhilfe müsste bis 2030 die verfügbare landwirtschaftliche Fläche um mehr als 500 Millionen Hektar wachsen, um eine ausreichende Versorgung der Weltbevölkerung zu gewährleisten.

Ökologische Bedeutung des Bodens

Geologisch betrachtet ist die Erde aus drei Schalen aufgebaut: dem Erdkern, dem Erdmantel und der Erdkruste. Knapp 71 Prozent der Oberfläche des Blauen Planeten sind von Wasser bedeckt. Der Rest ist – wie ein Kuchen mit Puderzucker – mit einer Bodenkruste überzogen. Einer wenigen Millimeter bis einige Meter dünnen Schicht, die Geologen auch als Pedosphäre bezeichnen (von griechisch „pédon“, Erdboden). Sie breitet sich überall dort zwischen der Gesteinsschicht (Lithosphäre) und Biosphäre aus, wo nicht nackter Feld zutage tritt.

Die Böden filtern das Regenwasser, regulieren das Klima und sind Garant der Biodiversität - der Artenvielfalt. Nach den Ozeanen und noch vor den Wäldern ist die dünne Haut des Planeten ihr größter Kohlenstoffspeicher. Böden speichern rund 1500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff – die doppelte Menge, die als Kohlendioxid in der Erdatmosphäre vorhanden ist.

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Woraus sich der Boden zusammensetzt

Die durchschnittliche Erdkrume besteht etwa zur Hälfte aus mineralischen Substanzen wie Sand , Schluff oder Ton, zu je knapp einem Viertel aus Luft und Wasser sowie zu fünf bis zehn Prozent aus organischem Material wie Wurzeln, Kleinlebewesen und Humus (toter organischer Substanz). Bis sich aus festem Gestein und lockerem Sediment Boden bildet, braucht es Tausende von Jahren.

In menschlichen Zeiträumen gemessen, sind Böden keine regenerative Ressource. In den oberen 30 Zentimetern eines Quadratmeters fruchtbaren Bodens leben mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde – rund 100 Billionen Mikroorganismen, Algen, Bakterien und Pilze. Sie machen 80 Prozent der Bodenfauna und -flora aus. Daneben wimmelt es in diesem „unsichtbaren Ökosystem“ von Regenwürmern, Asseln, Spinnen, Milben und anderem Getier.

Lebensgrundlage gerät in Gefahr

Laut dem „Bodenatlas“, den die Heinrich-Böll-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Potsdamer Forschungsinstitut IASS, dem BUND und Le Monde Diplomatique im Jahr 2015 herausgegeben hat, gelten 20 bis 25 Prozent aller Böden weltweit als degradiert.

Damit ist Folgendes gemeint: Die Verschlechterung der Bodeneigenschaften durch Erosion oder trockene Sommer ist ein natürlicher geologischer Vorgang. Doch durch Überweidung, Entwaldung, Intensiv-Landwirtschaft sowie Straßen- und Siedlungsbau wird dieser Prozess so stark beschleunigt, dass unsere Lebensgrundlage ernsthaft in Gefahr gerät.

Um den wachsenden Bedarf an Nahrung zu decken, müsste die Produktion bis 2050 um rund 70 Prozent wachsen. In den Entwicklungsländern wäre wegen des stärkeren Bevölkerungswachstums sogar eine Verdopplung nötig. Tatsächlich geht aber immer mehr Ackerland durch Verstädterung, Raubbau, Industrialisierung, Versteppung, Versalzung und Bodenerosion verloren.

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Degradation der Böden

Alle Fortschritte werden durch das unbegrenzte globale Bevölkerungswachstum und die anthropogen bewirkte Degradation der Böden – also die Verschlechterung der Bodenfruchtbarkeit – zunichte gemacht. Bodendegradation verschlechtert dem „Bodenatlas“ zufolge inzwischen jedes Jahr eine Fläche in der Größe Österreichs.

Am schlimmsten betroffen ist Asien, wo bereits rund 40 Prozent der Böden schwere Mangelerscheinungen aufweisen. Schwer in Mitleidenschaft gezogen sind auch Trockengebiete, die 40 Prozent der Landfläche der Erde ausmachen und zu gut 70 Prozent geschädigt sind.

Dem rasanten Wachstum der Weltbevölkerung stehen schwindende Anbauflächen gegenüber, deren Böden immer mehr ausgelaugt werden.

Ursachen für diese besorgniserregende Entwicklung sind: Vernichtung der Vegetationsdecke durch Abholzung, Brandrodung wie in Brasilien oder Überweidung; Misswirtschaft durch den Anbau von Monokulturen und den massiven Einsatz von Kunstdünger; Verschmutzung mit Abfällen.

Und schließlich die Zerstörung der Bodenstruktur durch Maschinen und große Nutztierbestände, die den Boden verdichten, so dass er nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Wasser versorgt wird.