Der frühere Sprinter Marius Broening ist ein Anfänger in der Eisröhre und muss in seiner neuen Sportart noch einiges lernen. Dennoch setzt der Bob-Club Stuttgart-Solitude auf das Kraftpaket, das noch ein paar Kilos an Körpergewicht draufpacken will.
Stuttgart - Diese Absage schmerzt. Auch wenn Marius Broening nie eine definitive Zusage erhalten hatte, hatte er sich so auf seinen ersten Weltcup-Start als Anschieber eines Bobs gefreut.
Der ehemalige Sprinter des LAV Tübingen stützte seine Hoffnungen darauf, dass sein Pilot Johannes Lochner beim Weltcup-Finale in Sotschi fährt und der Bob- und Schlittenverband Deutschland (BSD) auch für ihn ein Visum für den Wettbewerb auf der Olympiabahn am Schwarzen Meer beantragt hatte. „Die Einreise nach Russland braucht eine längere Vorbereitung“, sagt Bob-Cheftrainer Christoph Langen, „wir wollten auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.“
Je näher der Weltcup rückte, desto klarer war für Langen, dass er den Bob-Neuling Broening nicht mitnehmen wird. „Von seiner Leistungsfähigkeit würde Marius super reinpassen“, lautet das Urteil des Coachs, „aber er ist in seiner Ausbildung noch nicht so weit, dass er auf allen Positionen laufen kann.“ Denn in seiner ersten Saison kann Broening im Vierer nur als hinterster Mann anschieben, nicht jedoch von der Seite einsteigen. „Wenn ein Anschieber ausfallen würde, müsste ich dann die ganze Mannschaft umbauen“, argumentiert Langen.
Dabei kann das Einsteigen von hinten auch tückisch sein. Am Königssee legte Marius Broening jedenfalls erst einmal eine Bauchlandung hin. Er brachte den Bürstenschuh nicht richtig aufs Eis. „Ich stand quer in der Luft, die Arme vorne an den Anschubbügeln, die Beine hinterher im Leeren, ich musste loslassen.“ Der Vierer raste ohne seinen Bremser als Dreierbob ins Ziel.
Auch in der Vorbereitung des Schlittens durchlief der 31-jährige Athlet, der für den Bob-Club Stuttgart-Solitude startet, einen Lernprozess. „Ich habe die Kufen auf den Bob gelegt und auch schon zwei Schrauben angezogen“, erzählt er von seinen Versuchen zu helfen. Auf einmal habe ihn sein damaliger Pilot Manuel Machata ganz entgeistert angeschaut. Der erinnert sich: „Ich hab’ das gesehen und gefragt: ‚Marius, willst du mich auf den Arm nehmen?’“ Wollte dieser natürlich nicht, aber er hatte die Kufen falsch herum angeschraubt.
Ein Lerneffekt. „Ich bin zwar nur kurz dabei, aber ich habe alles schon erlebt“, sagt Broening. Und lacht herzhaft. Eines sei sicher: „Das passiert mir nie wieder.“
Die Initialzündung zu Broenings zweiter Karriere hatte im vergangenen Sommer Manuel Machata gegeben. Der Vierer-Weltmeister von 2011 suchte noch einen schnellen Mann für sein Team. Und stieß auf den Sprinter vom LAV Tübingen. „Manu ist einer der besten Piloten, er hatte hohe Ziele“, berichtet Broening, der bis dahin Bobfahren nur aus dem Fernsehen kannte. Obwohl der Machata-Bob von den Olympia-erfahrenen Joshua Bluhm, Christian Poser und Jan-Martin Speer beschleunigt wurde, kam der Schlitten nicht richtig zum Fahren. Im Gegensatz zu dem von Junior Johannes Lochner, der überzeugte. Dessen Team musste jedoch drei verletzte Anschieber beklagen. Deshalb wechselte Broening. Und das Duo überzeugte als Dritter bei den deutschen Meisterschaften.
„Die Basiselemente der Leichtathletik kann ich jetzt gut einsetzen“, sagt Broening. Schon immer habe ihm die Staffel besonders gefallen. Nicht nur wegen der Bronzemedaille, die er im deutschen Quartett bei der Europameisterschaft 2010 gewann. Sondern wegen der Zusammengehörigkeit im Team. Die ist auch im Bob wichtig. „Und dann gibt’s den Adrenalinkick“, sagt der schnelle Mann mit Begeisterung in der Stimme, „der ist etwa eineinhalb mal so groß wie in der Leichtathletik.“
Selbstverständlich lähmt die Enttäuschung Marius Broening. Aber insgesamt überwiegt die Faszination beim Bobfahren. Nicht nur Broening plant seine weitere Karriere im Bob. „Marius ist ein klasse Typ“, sagt Jochen Buck, Präsident des Solitude-Bobclubs, „wir brauchen ihn.“ Allerdings müssen noch ein paar Weichen gestellt werden. „In diesem Winter mache ich das aus Spaß, künftig muss auch die ökonomische Seite stimmen“, sagt der Sportler, der nach seinem Sportstudium als Personal Trainer in München arbeitet.
Doch auch er selbst muss an sich arbeiten. Mit 93 Kilogramm Körpergewicht zählt er zu den Leichtgewichten. Deshalb fährt er, obwohl er zu den schnellsten Startern gehört, momentan nur im Vierer mit. „Ich werde versuchen ein paar Kilo zuzunehmen“, sagt der 1,82 Meter große Athlet, „aber 100 Kilo sind nicht das Ziel.“ Sonst, so seine Befürchtung, gehe die Koordination verloren. Nicht dass ihm irgendwann etwas fehlt, was er zuvor hatte.