In Kiew eskaliert die Gewalt. Viele Menschen werden verletzt, es gibt auch Tote. Foto: dpa

Fast aus dem Nichts eskaliert die ohnehin angespannte Lage in Kiew dramatisch. Die Meldungen über Tote und Verletzte überschlagen sich. Doch es scheint, als stünde der blutige Höhepunkt noch bevor.

Fast aus dem Nichts eskaliert die ohnehin angespannte Lage in Kiew dramatisch. Die Meldungen über Tote und Verletzte überschlagen sich. Doch es scheint, als stünde der blutige Höhepunkt noch bevor.

Kiew - Der Machtkampf in der Ukraine ist nach Wochen angespannter Ruhe blutig eskaliert. Mindestens fünf Menschen wurden bei Ausschreitungen zwischen Opposition und Polizeieinheiten in der Haupstadt Kiew am Dienstag nach unbestätigten Berichten getötet. Die Lage spitzte sich am Nachmittag dramatisch zu, als Sicherheitskräfte auf den zentralen Unabhängigkeitsplatz Maidan im Zentrum vorrückten. Dort befanden sich schätzungsweise 20 000 Menschen. Am Dienstagabend lief ein Ultimatum der Staatsmacht zur Räumung des Maidan ab. Angesichts der massiven Gewalt will sich Präsident Viktor Janukowitsch an diesem Mittwoch erneut mit Oppositionsführern treffen.

Drei Regierungsgegner seien erschossen worden, teilten Aktivisten bei Twitter mit. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Die angeblich getöteten Demonstranten sollen mit Schüssen in Herz und Kopf aufgefunden worden sein. Die Opposition machte Mitglieder der berüchtigten Polizei-Spezialeinheit Berkut (Steinadler) verantwortlich. Im Internet kursierten Fotos von einem Priester, der drei mit Papier bedeckte Körper segnete.

Der seit Monaten andauernde Machtkampf in der Ukraine hatte sich an der prorussischen Politik von Präsident Janukowitsch entzündet. Die Opposition verlangt unter anderem eine Stärkung der parlamentarischen Rechte in der früheren Sowjetrepublik.

Bei der Erstürmung eines Büros der regierenden Partei der Regionen in Kiew durch Regierungsgegner wurde nach Angaben der Rettungskräfte mindestens ein Mann getötet. Die Partei teilte Medien zufolge mit, bei dem Opfer handele es sich um einen Sicherheitsmann. Der Abgeordnete Oleg Zarjow sprach sogar von zwei Toten. Regierungsgegner hatten das Büro gestürmt und verwüstet. Nach Zarjows Darstellung legten sie dabei auch Feuer. Nach wenigen Minuten wurden sie von den Sicherheitskräften vertrieben. Ein Polizist starb nach Regierungsangaben auf dem Weg ins Krankenhaus.

U-Bahn gesperrt

Die U-Bahn Kiews wurde am späten Nachmittag komplett gesperrt. Damit drohte der Nahverkehr in der Metropole mit etwa 2,8 Millionen Einwohnern zusammenzubrechen. „Alle Haltestellen sind zu. Die Metro fährt nicht mehr“, sagte ein Metrosprecher der Agentur Interfax.

Sicherheitskräfte rückten gegen die Barrikaden der Regierungsgegner auf dem Maidan vor. Sie setzten Rauchgranaten ein, wie örtliche Medien berichteten. Die Demonstranten warfen Brandsätze.

Von der Bühne auf dem Maidan riefen Redner die Protestierer auf, den Platz zu verteidigen. Auf dem Platz hielten sich Schätzungen zufolge mehr als 20.000 Menschen auf. Frauen wurden aufgefordert, sich rund um die Bühne zu versammeln.

Autos brennen

Radikale Regierungsgegner besetzten nach Polizeiangaben erneut das Gebäude der Stadtverwaltung in Kiew. Die Demonstranten hätten Brandsätze geschleudert und Autos angezündet, teilte die Miliz mit. Die Oppositionsanhänger hatten das Gebäude erst am Montag nach monatelanger Besetzung verlassen. Im Gegenzug hatte die Justiz mehr als 240 festgenommenen Protestierer begnadigt. Zuletzt hatten 30 Sicherheitskräfte die Stadtverwaltung bewacht.

Parlamentspräsident Wladimir Rybak sagte, an dem Gespräch mit Janukowitsch am Mittwoch gegen 11 Uhr Ortszeit soll auch Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko teilnehmen. Bedingung sei aber, dass die Regierungsgegner jede Gewalt einstellten, betonte Rybak.

Der ukrainische Geheimdienst SBU und das Innenministerium hatten den Regierungsgegnern ein Ultimatum für ein Ende der Gewalt bis Dienstag 18 Uhr Ortszeit gestellt. Sonst würden „alle vom Gesetz erlaubten Mittel“ eingesetzt, um das Chaos zu beenden, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der Behörden. Die Oppositionsführer müssten unverzüglich dafür sorgen, dass die Ausschreitungen sofort beendet würden, und an den Verhandlungstisch zurückkehren.

Die ukrainische Führung forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Gewalt von Regierungsgegnern zu verurteilen. „Radikale Kräfte haben in Kiew und anderen Städten der Ukraine einen neuen, durch nichts zu rechtfertigenden Ausbruch von Gewalt und Gesetzlosigkeit initiiert“, zitierten Medien den amtierenden Außenminister Leonid Koschara. „Die sogenannten Demonstranten begehen bewaffnete Überfälle auf Regierungsgebäude, zünden Gebäude an, verletzen Sicherheitskräfte schwer, setzen Schusswaffen ein und fordern andere Bürger dazu auf“, betonte der ukrainische Außenminister.