Jeder Dritte ist mindestens einmal im Leben auf eine Blutspende angewiesen. Foto: imago/Eibner/Daniel Fleig

Männer, die Sex mit Männern haben, können bisher vom Blutspenden ausgeschlossen werden. Nun will die Ampelregierung die Diskriminierung beenden und die Regeln ändern. Doch die Bundesärztekammer warnt davor.

Alle sechs Sekunden – so oft braucht statistisch gesehen ein Mensch in Deutschland eine Bluttransfusion. Jeder Dritte ist mindestens einmal im Leben darauf angewiesen. Etwa bei einer Operation, nach einem schweren Unfall oder auch bei manchen Krankheiten. Rund 15 000 Konserven kommen somit jeden Tag in Deutschlands Kliniken zum Einsatz. Woher sie stammen? Von Spendern, klar. Denn für menschliches Blut gibt es bisher noch keinen wirklich brauchbaren künstlichen Ersatz.

 

Blut zu spenden ist also überlebenswichtig. Allerdings sind bestimmte Personengruppen ausgeschlossen. Das ist umso erstaunlicher, da die Zahl der Spender zurückgeht, auch durch den demografischen Wandel. Das Deutsche Rote Kreuz warnt aktuell vor einem akuten Notstand. Homo- und bisexuelle Männer sowie Transpersonen dürfen aber bis heute nur bedingt spenden. Denn die für die Richtlinien zuständige Bundesärztekammer stuft sie als „Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ ein.

Ausschluss ist diskriminierend

Schwule sind nach Sexualkontakt mit „einem neuen oder mehr als einem Partner“ daher für vier Monate bei der Spende gesperrt. Bei Verkehr zwischen Frau und Mann wird hingegen nur zurückgestellt, wer „häufig wechselnde Partner/Partnerinnen“ hat. Eine Regelung, die sich nicht nur Schwulenverbänden und der Aidshilfe, sondern auch Politikern aus allen Parteien nicht erschließt. Die als diskriminierend kritisierte Regelung soll nun enden.

Durch eine Änderung des Transfusionsgesetzes will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Kammer dazu zwingen, die entsprechenden Richtlinien dem anzupassen, „was im gesellschaftlichen Leben längst Konsens ist“. Erfolgt dies nicht bis Ende Juli, droht er, der Bundesärztekammer die Zuständigkeit zu entziehen.

Ärzte äußern Unmut

Samir Rabbata, Pressesprecher der Kammer, wollte sich „nicht näher zu dem sich derzeit noch in einem Stellungnahmeverfahren befindlichen aktualisierten Entwurf“ äußern. Die Beschlussfassung, der auch das Paul-Ehrlich-Institut zustimmen muss, stehe „turnusgemäß im Februar an“, sagte sie unserer Zeitung. In einer Erklärung hatte die Kammer zuvor jedoch Unmut geäußert und Lauterbachs Vorstoß kritisiert.

Das derzeitige Verfahren habe sich bewährt, heißt es darin. Die Grundlage hierfür sei rein wissenschaftlich. Wenn die Politik davon abweichen wolle, sei sie auch verantwortlich, wenn Menschen zu Schaden kämen. „Wir warnen deshalb vor Bestrebungen der Politik, die Richtlinienkompetenz von der Bundesärztekammer auf weisungsgebundene Bundesoberbehörden zu verlagern“, so der Verband weiter.

Die Deutsche Aidshilfe begrüßt derweil Lauterbachs Ankündigung: „Schwule und bisexuelle Männer haben kein ‚sexuelles Risikoverhalten‘ und sind auch keine ‚Risikogruppe‘.“ Die Ausschlussfrist von vier Monaten, um die Sicherheit von Blutspenden zu garantieren, sei wissenschaftlich nicht nachvollziehbar, sondern stigmatisierend. Die Gefahr beim Spenden liege bei anderen Faktoren, sagt auch Alfonso Pantisano, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland (LSVD) – beim individuellen Verhalten nämlich: „Ob schwul oder hetero: Wer ungeschützten Sex hat, setzt sich einem Infektionsrisiko aus.“

Relikt aus den 80er Jahren

Die Beschränkungen waren einst mit Blick auf ein mögliches HIV-Risiko eingeführt worden. Sie sind somit ein Relikt aus den 80ern, der Zeit der Aids-Krise. Es ist zwar auch heute so, dass sich homosexuelle Männer statistisch eher mit dem HI-Virus infizieren. Doch „ob Spenderinnen und Spender ein Risiko sind, kann man beim besten Willen nicht an ihrer sexuellen Orientierung festmachen“, erklärt Baden-Württembergs Gesundheits- und Sozialminister Manfred Lucha (Grüne). Das Ende der „versteckten Diskriminierung“ sei schon lang überfällig – und daher im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbart, so Lucha weiter.

Der LSVD weist darauf hin, dass in vielen Ländern, darunter Spanien und Italien, derartige Einschränkungen schon vor Jahren abgeschafft wurden – ohne, dass Blutprodukte dort weniger sicher geworden seien. In Deutschland wird ohnehin jede Spende im Labor auf Erreger untersucht, etwa auf HIV. Laut Minister Lauterbach wird beim Blutspenden das Sexualverhalten auch künftig nicht ausgeklammert: Statt der Orientierung soll aber die individuelle Praxis im Mittelpunkt stehen. Pantisanos Ansicht nach das richtige Vorgehen: „Die gleiche Sicherheit kann man auch ohne Diskriminierung gewährleisten.“