Victor Orbán treibt mit seiner Blockadepolitik die EU auf die Palme. Doch Ungarns Premier davon abzuhalten ist sehr schwierig. Foto: dpa/Geert Vanden Wijngaert

Ungarns Premier blockiert mit seinem Veto immer wieder die EU. Der Ärger darüber ist groß, doch es ist sehr schwer, das zu verhindern.

Hat Victor Orbán den Bogen überspannt? In der EU werden die Stimmen lauter, Ungarn mit Strafmaßnahmen zu belegen. Grund ist die Blockadepolitik des Premierministers, mit dem er die Verabschiedung des sechsten Sanktionspaktes gegen Russland in Gefahr brachte. Erst als die Kommission auf seine Forderungen einging, machte auch Orbán den Weg frei und sorgte damit für einen veritablen Affront.

Das Problem der Einstimmigkeit

Das zentrale Problem ist, dass in der EU alle wichtigen Entscheidungen einstimmig gefällt werden müssen. Diese Regelung stammt aus der Zeit, als die Union noch aus sechs Mitgliedern bestand. Inzwischen sitzen aber 27 Staaten an einem Tisch und es zeigt sich, dass das Veto-Recht von manchen Regierungen in fast erpresserischer Manier missbraucht wird, um die eigenen Interessen gegen eine Mehrheit durchzusetzen.

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Nun besteht die Möglichkeit, einzelnen Ländern das Stimmrecht zu entziehen. Genau das fordert im Fall von Ungarn Katarina Barley, die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Das Land missbrauche das Einstimmigkeitsprinzip in der EU als Erpressungsmittel, sagt die SPD-Politikerin. Das Stimmrecht eines Landes könne wegen Verstößen gegen Rechtsstaatlichkeit ausgesetzt werden. „Gerade in Ungarn kann man von demokratischen und rechtsstaatlichen Verhältnissen nicht mehr sprechen“, erläutert Barley.

Entzug des Stimmrechts ist möglich

Die Politikerin zielt dabei auf das sogenannte Artikel-7-Verfahren. Im Fall von Ungarn wäre das Feld bereits vorbereitet. Denn schon vor einigen Jahren wurde gegen Budapest ein solches Verfahren wegen Rechtsstaatlichkeitsbedenken eingeleitet, da Premier Orbán trotz der Warnungen aus Brüssel die Demokratie in seinem Land immer weiter demontiert. Gescheitert war das Verfahren allerdings immer daran, dass Polen fest an der Seite Ungarns stand und den Entzug des Stimmrechts mit seinem Veto blockiert hat. Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat jedoch einen Keil in das Verhältnis beider Länder getrieben. Während Warschau dem Nachbarland beisteht, verhindert Victor Orbán willfährig zu Wladimir Putin. Möglich ist, dass Polen nun ebenfalls für den Entzug des Stimmrechtes für Ungarn stimmt.

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Zuletzt hatte die EU Druck auf Ungarn ausgeübt, indem fällige Subventionen etwa aus dem Corona-Fonds zurückhalten wurden. Grund ist die Gefahr, dass das Geld in dunklen Kanälen verschwindet. Orbán aber benötigt die Mittel, um seine teuren Wahlversprechen einzulösen. Vermutet wird, dass der Premier mit seiner Blockade schlicht die nötigen Milliarden loseisen wollte. Wenn das der Plan war, ist ihm das nicht geglückt.

Als Druckmittel wird Geld eingesetzt

Auf Geld verzichten muss Ungarn vielleicht auch wegen des neuen EU-Rechtsstaatsmechanismus, da aktuell ein solches Verfahren läuft. Der Mechanismus ist seit Anfang 2021 in Kraft und in dieser Form die erste direkte Verbindung zwischen EU-Mitteln und EU-Grundwerten wie der Rechtsstaatlichkeit. Es handelt sich um ein Instrument zu Kürzung von Mitteln aus dem EU-Haushalt, wenn der Rechtsstaat in einem Mitgliedsstaat nicht mehr funktioniert und deshalb die Gefahr besteht, dass EU-Gelder veruntreut oder verschwendet werden, beispielsweise durch Korruption. Der Europäische Rat muss mit qualifizierter Mehrheit der Anwendung des Mechanismus‘ zustimmen. Qualifizierte Mehrheit heißt: 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.

Einstimmigkeitsprinzip in der Kritik

Die vermeintlich einfachste Lösung wäre allerdings, das Einstimmigkeitsprinzip in der EU aufzuheben. Das ist eine Forderung die angesichts der ungarischen Blockaden Konjunktur hat. Diese Idee hat allerdings einen großen Haken: es kann nur einstimmig geschehen. Ebenso populär ist die Forderung, Ungarn einfach aus der EU zu werfen. Ein solcher Schritt ist in den Verträgen aber schlicht nicht vorgesehen. Der Einwand, dass man Verträge auch ändern kann ist berechtigt, das kann allerdings nur einstimmig geschehen.