Das Projekt „Wengerter auf Probe für ein Jahr“ in Benningen ist in jedem Fall einen Versuch wert.
Benningen - Die hohen Berge? Das Meer? Sandstrände? Aus unserer Region ist all das mit einer mehrstündigen Anreise verbunden. Leider, könnte man sagen. Es sei denn, man gibt sich mit kleineren, ebenfalls charmanten Ausführungen zufrieden: mit den Löwensteiner Bergen als Alpen-Ersatz, dem Breitenauer See als Meer und den Flussufern als Strandersatz. Und doch haben die Ecke rund um Marbach und das Bottwartal landschaftlich besonders Reizvolles zu bieten. Etwas, das einem selbstverständlich vorkommt, wenn man hier aufgewachsen ist. Etwas, das es hierzulande aber fast nur im Südwesten gibt und das man in anderen Gegenden Deutschlands vergeblich sucht: die Weinberge, die empor ragen. Sie zählen mit jenen an Rhein, Main und Mosel zu den nördlichsten der Welt.
Kein Westfale kann am Wochenende mal eben ein Weinbergfest besuchen. Kein Berliner Fußballtrainer kann seine Spieler in der Saisonvorbereitung steile „Stäffele“ zwischen Reben rauf- und runterspurten lassen. Und kein Münchener wird gefragt, bei der Lese mit anzupacken, um dann bei einem zünftigen und geselligen Vesper wieder zu Kräften zu kommen.
Sie sind also besonders, unsere Weinberge. Doch sie haben einen entscheidenden Unterschied zu Alpen, Meer und Strand: Sie sind nicht von Natur aus gegeben, sie sind menschengemacht. Und dadurch eben alles andere als selbstverständlich. Um einen Weinberg zu bewirtschaften braucht es Ausdauer, Herzblut, Idealismus, Schweiß. Und Zeit. Gerade in den Steillagen. Es gibt immer weniger Menschen, die das auf sich nehmen. Die Zukunft des Weinbaus hängt von immer weniger Wengertern ab – weshalb man sich in Benningen Sorgen macht.
Spannend klingt da in meinen Ohren das neue Projekt der dortigen Wengerter, die diesem Problem entgegen wirken möchten. Sie bieten jedermann an, unter fachlicher Anleitung ein Jahr lang auf Probe einen Weinberg zu bewirtschaften – ohne das Gelände kaufen zu müssen. In der Steillage – der Königsdisziplin des Weinbaus, die besonders viel Charme versprüht. Sind es doch Steilhänge wie bei Benningen oder Mundelsheim, die so markant, so landschaftsprägend sind.
Die Herangehensweise der Benninger Wengerter ist in jedem Fall einen Versuch wert, weil sich auch Menschen ganz einfach an dieses Thema wagen können, die bisher keine oder kaum Berührungspunkte mit dem Weinbau hatten. Andere, die „nur“ mitgeholfen haben, können ihr Wissen vertiefen und reinschnuppern, wie es wäre, in Sachen Weinbau den nächsten Schritt zu gehen. Zu verlieren haben die Benninger Wengerter nichts – aufgegeben werden Steillagen-Stückle so oder so. Bleibt auch nur ein Neugieriger am Thema dran, der sonst nicht dafür gewonnen worden wäre, hat sich die Idee ausgezahlt. Dem Projekt wünsche ich daher, dass es auf Resonanz stößt, dass sich Menschen darauf einlassen. Finden sich Teilnehmer, beneide ich diese schon jetzt um den Moment, wenn sie dann nach getaner Arbeit die ersten Tropfen vom eigenhändig angebauten Wein genießen dürfen...