Bei einer Diskussion mit den CDU-Landtagskandidaten aus dem Wahlkreis Leonberg-Herrenberg gibt es interessante Aussagen. Auf die sollten die Berliner Politprofis öfters hören, meint unser Leonberger Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.
Menschen mit CDU-Parteibuch haben es in diesen Tagen nicht leicht, insbesondere dann, wenn sie in politischer Verantwortung stehen. Das bekommen die Unterhändler für ein schwarz-rotes Regierungsbündnis in Berlin besonders hart zu spüren. Aber auch jene, die es eine Stufe tiefer mit der Profipolitik probieren wollen, merken schnell, dass es nicht reicht, für mehr Wirtschaftswachstum und weniger Bürokratie zu sein.
So sieht sich jenes CDU-Quintett, das die Leonberger Landtagsabgeordnete Sabine Kurtz beerben will, bei einer Kandidatenvorstellung, die Parteigliederungen für Frauen, Jugend und Senioren gemeinsam organisiert haben, auch mit Themen konfrontiert, die in der ganzen Republik für reichlich Gesprächsstoff sorgen. Und für die Jessica Kläber, Dan Martin, Swen Menzel, Tobias Pfänder und Albrecht Stickel zumindest in einem Punkt eine ähnliche Antwort haben.
„Wie halten Sie es mit der Brandmauer?“, will die frühere Chefin des Leonberger Stadtseniorenbeirats und einstige Schuldirektorin Ursula Grupp von den Bewerbern in der brechend vollen Gaststätte Engelberg wissen. „Es hat nicht funktioniert, die AfD mit der Brandmauer kleinzuhalten“, sagt Albrecht Stickel aus Herrenberg. Das sieht auch dessen langjähriger politischer Weggefährte Tobias Pfänder so: „Ich bin kein Freund von gegenseitigen Diffamierungen“.
Ausschließen ist auch für Jessica Kläber „nicht der richtige Weg“. Die Chefin der Leonberger Frauen-Union aus Perouse wirbt für einen respektvollen Umgang und will in die Wählerschaft der AfD „hineinhören“, warum diese bei der Rechtsaußen-Partei ihr Kreuz gesetzt haben. Dan Martin aus Renningen meint, dass sich die CDU der Auseinandersetzung mit der AfD stellen muss. Noch deutlicher wird Swen Menzel aus Herrenberg: „Zu sagen: Wir reden nicht mit der AfD, weil die keine Argumente haben, ist auch kein Argument.“ Dass Alice Weidel und Co. binnen zehn Jahren von drei auf jetzt 20 Prozent gewachsen sind, habe auch „mit strategischen Fehlern der CDU“ zu tun.
Keine Kritik an der Kritik
Das Publikum, das sich vornehmlich aus nicht mehr jungen Parteimitgliedern zusammensetzt, reagiert keineswegs entrüstet auf die Kritik am Kurs der Parteispitze. Dass es in der viel zitierten demokratischen Mitte massive Meinungsunterschiede gebe, werde bei den Koalitionsgesprächen deutlich, meint eine Zuhörerin am Rande der Versammlung. Man könne doch nicht 20 Prozent der Wähler einfach ausschließen.
Tobias Pfänder, einer der drei Kandidaten aus dem Gäu, berichtet von „gegenseitigen Gesprächen“ im Gemeinderat seiner Heimatstadt. Auch die Leonberger Ratsmitglieder wissen, dass es mit den beiden AfD-Männern, die seit September dem Gremium angehören, bisher keine Probleme gegeben hat.
Die Brandmauer-Frage dürfte nicht die entscheidende sein, wenn die Parteibasis am 4. April entscheidet, welcher der fünf letztlich ins Rennen um einen Landtagssitz geht. Doch wirft sie ein interessantes Schlaglicht auf die großen Unterschiede zwischen den zumeist pragmatischen Herangehensweisen in der Kommunalpolitik und den trotz des Ergebnisses der Bundestagswahl nach wie vor ideologisch und polemisch geführten Debatten auf der großen Berliner Bühne.
Dabei dürfte klar sein: Wer AfD wählt, ist zumeist kein Nazi. Und nicht wenige Ansichten der selbsternannten Alternative für Deutschland, entsprechen dem Meinungsbild vieler Parteien im demokratischen Zentrum. Dass aber diese Erkenntnisse einmal mehr allenfalls äußerst bedingt in konkretes Handeln umgesetzt werden, spricht nicht für einen Rückgang an den politischen Rändern. So mancher Berliner Politprofi sollte mal bei den Amateuren in der Provinz nachhören, wie diese die Lage einschätzen.