Wechsel: Sebastian Bartolitius (links) und René Süßer (rechts) sind die neuen Geschäftsführer; Evmarie Bartolitius und Thomas Bleicher ziehen sich zurück. Mit dem Ölbild wird an den Firmengründer Heinz M. Bleicher erinnert. Foto: factum/Jürgen Bach

Im 51. Jahr wird die Firma Bleicher von der dritten Generation geführt. Telefon- und Adressbücher gibt’s noch immer. Bei aller Veränderung: Der Unternehmensgründer Heinz M. Bleicher bleibt ein Vorbild.

Gerlingen - Im Keller ist die Basis: Im Untergeschoss des sechseckigen Bleicher-Hauses an der Weilimdorfer Straße in Gerlingen liegen die letzten verlegten Bücher im Regal. Ringsum brauchen Kabel, Scheinwerfer, Boxen und andere Gerätschaften für TV-Übertragungen viel Lagerplatz. Nebenan ist ein kleines Studio für Videoaufnahmen. Mittendrin steht eine Palette mit den neuesten Telefonbüchern. Der Bleicher-Verlag in Gerlingen heißt seit einigen Jahren Bleicher Medien und beschäftigt sich mit Adress- und Telefonbüchern, TV- und Videoproduktion, Webseitendesign und Personalmarketing – und hat nun die Verantwortung an die dritte Generation weitergegeben.

Umwandlung zum Multimediabetrieb

René Süßer (38) und Sebastian Bartolitius (37) sind die Enkel von Heinz M. Bleicher. Er hat das Unternehmen 1968 gegründet. Basis des Erfolgs waren und sind sogenannte Verzeichnismedien. Dazu kam die Literatur-Sparte: Bleicher verlegte mit Herzblut Bücher von jüdischen Schriftstellern. Seine Tochter Evmarie Bartolitius und sein Sohn Thomas Bleicher standen lange mit dem Vater an der Firmenspitze, waren nach dessen Tod 2005 bis vor Kurzem die Geschäftsführer. Ihre Söhne stiegen vor einigen Jahren ein und arbeiteten mit an der Umwandlung zum Multimediabetrieb. Nun sind sie die verantwortlichen Geschäftsführer.

„Der digitale Wandel kam mit dem iPhone 2007“, sagt René Süßer, „das hat alles über den Haufen geworfen.“ Mittlerweile gebe es in Deutschland 60 Millionen Handys. Deren Nutzer nutzten täglich millionenfach Daten, die auch von Bleicher aus Gerlingen stammen. Denn das Medienhaus verlegt nach wie vor Telefon- und Adressbücher. Die Daten von Millionen Menschen sind ins Internet übertragen – wer bei Google eine Person oder deren Telefonnummer sucht, greift unter Umständen auf Produkte aus dem Hause Bleicher zurück. „Wir liefern die Daten auch aus dem örtlichen Telefonbuch“, erklärt Sebastian Bartolitius.

Mechanismen im Google-Hintergrund

Er und sein Cousin René Süßer nutzen die Mechanismen, auf denen der Erfolg von Google und Co. basiert. Und sie wissen, wie der Pizzadienst oder der Klempner am besten im Netz gefunden wird. Das Ziel müsse es sein, bei einer Google-Suche ganz oben genannt zu werden. Eine professionelle Homepage sei das A und O, um von Suchmaschinen gefunden zu werden. „Die ersten drei Treffer werden am häufigsten geklickt.“

Ihr Wissen geben die Medienprofis ihren Kunden weiter. Sie gestalten Internetseiten, produzieren Fotos und Filme, und sie übertragen auch andere Inhalte. Vom VfB oder einer Hauptversammlung. Sie filmen in einem Krankenhaus in Rom eine neuartige Operation mit den Gesprächen der Ärzte am OP-Tisch – und zeigen dies live bei einem Ärztekongress in Budapest. Das Wissen, das Equipment und das meiste Personal dafür kommt aus Gerlingen, ergänzt durch freie Mitarbeiter. „Da kann ich nicht jeden Kameramann nehmen, der darf im OP ja nicht umfallen“, sagt Bartolitius. Auf dem Bewährten aufbauen und Neues dazunehmen – das ist die Geschäftsgrundlage der beiden Vettern. Das Neue ist für sie beispielsweise die Mitarbeitersuche für Kunden oder die Präsentation von Unternehmen auf dem Fachkräftemarkt. „Das muss authentisch sein“, sagt Süßer, „Bilder lügen nicht.“ Und Bartolitius ergänzt: „Die Leute wollen wissen, was Sache ist.“ Also keine abgedroschene Formulierung wie „bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“. Sondern ein Videorundgang durch die Firma.

Mitarbeitersuche als neues Geschäftsfeld

Die beiden Geschäftsführer orientieren sich an ihrer Mutter Evmarie Bartolitius und ihrem Vater Thomas Bleicher, die sich nun zurückziehen. Und am Großvater, der den Respekt gegenüber anderen Kulturen und Menschen vorgelebt habe. Heinz M. Bleicher engagierte sich sehr für verfolgte Autoren und deren Werke. Dieses Erbe ist auch der dritten Generation präsent. Nicht nur mit Büchern, die noch im Keller lagern.