Die Ortsumfahrung würde sich nördlich von Affalterbach erstrecken – und dem Ort einen Großteil des Berufsverkehrs ersparen. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Die Ortsumfahrung von Affalterbach (Kreis Ludwigsburg) könnte doch noch entstehen. Das Land will das Projekt realisieren. Der Landkreis könnte übernehmen. Dem Plan stellen sich jedoch einige Hindernisse in den Weg.

Werktags wälzt sich eine Blechlawine durch Affalterbach. Eine Ortsumfahrung würde die durch Mercedes-AMG steinreich gewordene Kommune sogar weitgehend aus eigener Tasche bezahlen. Dafür braucht sie aber trotzdem die Rückendeckung des Kreistags in Ludwigsburg. Überzeugungsarbeit leistet derzeit der Affalterbacher Bürgermeister Steffen Döttinger. Er kämpft seit fast 20 Jahren für die Umfahrung, die aber im Ort nicht unumstritten ist.

Wie ist die Ausgangslage nach dem Gerichtsurteil vor einem Jahr?

Einen Rückschlag erlitt die Gemeinde, als der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim es für nicht rechtens erklärte, wenn die Affalterbacher Ortsentlastungsstraße als Gemeindestraße gebaut würde. Die VGH-Richter erklärten: Nur eine Landes- oder Kreisstraße dürfe diese Funktion wahrnehmen. Damit fehlten der 4500-Einwohner-Gemeinde auf einmal zehn Millionen der auf etwa 20 Millionen Euro geschätzten Baukosten. Das Land selbst lehnte einen Bau als Landesstraße ab.

Warum ist vom Land weiterhin keine Unterstützung zu erwarten?

Noch imm März hatte sich Steffen Döttinger pessimistisch geäußert. Damals wie auch jetzt sieht er im Klimacheck des Landes das Haupthindernis für den Bau der Ortsumfahrung. Der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann hatte im Januar 2023 per Erlass ein Zuschussverbot für Straßen eingeführt, wenn deren CO2-Bilanz beim Bau und Befahren der Straße negativ ausfalle. Steffen Döttinger hält das für ein Totschlagargument gegen den Umfahrungsneubau: „Fast jede Ortsumfahrung ist länger als der direkte Weg durch eine Kommune.“

Fußgänger haben es nicht leicht, wenn der Verkehr durch Affalterbach rollt. Foto: W/erner Kuhnle

Warum sollen trotz des Klimachecks jetzt politische Beschlüsse gefasst werden?

Steffen Döttinger hält die Vorgaben des grünen Verkehrsministeriums nicht für in Stein gemeißelt. Sollte sich der landespolitische Wind drehen, will er mit einer Planung und einem Zuschussantrag parat stehen. Dafür braucht er zunächst das Ja seines Gemeinderats. Das Gremium berät darüber am kommenden Donnerstag. Danach wolle er für einen positiven Beschluss des Kreistags werben. Döttinger gehörte lange Zeit der Fraktion der Freien Wähler an.

Wie positioniert sich der Landrat: Wäre der Kreis für eine Ortsumfahrung zu haben?

Eine Zusage des Landratsamtes gebe es noch nicht, es müsse zwingend einen Kreistagsbeschluss geben, teilt der Landrat Dietmar Allgaier (CDU) auf Anfrage der umweltpolitisch kritischen Liste Ula mit. Die Gemeinderäte der Ula stellen sich in Affalterbach gegen eine Ortsumfahrung. Allgaier hält es aufgrund des VGH-Urteils grundsätzlich für möglich, dass die Ortsumfahrung als Kreisstraße gebaut wird. Allerdings würde der Kreis nicht die 50 Prozent der Förderung übernehmen, die sonst das Land zahlt, sondern nur die 25 Prozent, die der Landkreis sonst bei solchen Projekten finanziert. Eine Kreisstraße als Ortsumfahrung, die eine Landesstraße fortsetzt – das habe es beim Bau der Umfahrungen in Sachsenheim und Markgröningen gegeben, teilt das Landratsamt mit.

Würde die Gemeinde Affalterbach den Bau einer Umfahrung auch mit weniger Fördermitteln finanziell bewältigen?

Aus Sicht des Bürgermeisters wäre auch eine niedrigere Förderkulisse kein Hindernis. Er rechnet damit, das die bisher auf 20 Millionen Euro geschätzten Baukosten auf 25 Millionen Euro ansteigen könnten. Die Gemeinde habe 45 Millionen bis 48 Millionen Euro liquide Mittel auf der Bank angelegt. „Im schlechtesten Fall müssten wir 75 Prozent, also rund 19  Millionen Euro, selbst zahlen.“ Das hält Döttinger für verkraftbar.

Wie argumentieren die Gegner?

Eine Umfahrung würde mehr Verkehr anziehen, schreibt die Ula in ihrer Anfrage an das Landratsamt. Die Behörde geht hingegen von keiner Mehrbelastung für den Landkreis aus. Laut eines Verkehrskonzeptes würden zwar täglich 1600 Fahrzeuge mehr nach Erdmannhausen gelangen, aber 700 weniger nach Marbach und 900 weniger nach Kirchberg. Dass durch den Ausbau der B 14 und der B 328 bei Backnang weniger Verkehr in Affalterbach entstehe, bezweifelt das Landratsamt. Die Mehrzahl der Fahrer wolle nach Marbach oder Stuttgart über die Bundesstraße 27. Die Ula weist außerdem darauf hin, dass die Verkehrsprobleme in Affalterbach – etwa an der Ochsenkreuzung – nicht so schnell gelöst werden können, weil noch Jahre vergingen. Sie schlägt stattdessen eine Reihe von kleineren Maßnahmen vor, wie etwa Zebrastreifen, stationäre Blitzer oder Pförtnerampeln am Ortseingang.