Die Kryptobörse FTX zählte zu den größten weltweit. Foto: AFP/Stefani Reynolds

Die Pleite eines der größten Handelsplätze für Cyberdevisen wie Bitcoin schlägt hohe Wellen. Ist das der Anfang vom Ende der umstrittenen Spekulationsobjekte?

Vermeintliche Milliardenwerte haben sich in Luft aufgelöst: Nach der Insolvenz der Kryptobörse FTX bangen deren Kunden um ihr Geld. Aber was bedeutet das Drama um den Online-Handelsplatz für Anleger, die auf andere Weise in Bitcoin und andere Kryptowerte investiert haben? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist mit FTX passiert?

Die 2019 gegründete Kryptobörse geriet Anfang November ins Zwielicht. Grund waren ihre Geschäfte mit dem Schwesterunternehmen Alameda Research. Dieser Hedgefonds hatte im großen Stil virtuelle Wertmarken gekauft, die von FTX kreiert wurden – genannt FTX-Tokens (FTT). Inhaber von FTT erhielten Rabatte auf Börsengebühren von FTX. Die Wertmarken selbst konnten aber ebenfalls gehandelt werden.

Als bekannt wurde, dass die Nachfrage nach FTT zu einem erheblichen Teil auf ein Schwesterunternehmen von FTX zurückging, wurden Anleger misstrauisch und zogen ihr Geld ab. Der Absturz beschleunigte sich, als ein weiterer FTT-Großinvestor, Binance, seine Bestände auf den Markt warf. Das Pikante daran: Binance ist selbst eine Kryptobörse und kündigte dann die Übernahme von FTX an, blies das Vorhaben nach einem Blick in die Bücher der strauchelnden Konkurrentin aber ab. FTX stellte einen Insolvenzantrag.

Wieso investierte überhaupt jemand in FTT?

In den Jahren 2020 und 2021 sind die Kurse von Bitcoin und anderen Kryptowährungen explodiert. Das hat bei vielen Anlegern offenbar die Erwartung geweckt, auch die von einzelnen Kryptobörsen ausgegebenen, hauseigenen Wertmarken seien zum Erfolg verdammt. FTX-Gründer Sam Bankman-Fried gab im Frühjahr ein entlarvendes Interview zu derartigen Geschäftsmodellen. Sinngemäß sagte er der Nachrichtenagentur Bloomberg, man müsse nur irgendeinen Software-Code als revolutionär vermarkten und Investoren versprechen, dass sie durch eine finanzielle Beteiligung Stimmrechte für die spätere Nutzung dieses Codes erwerben könnten. Zur Wahrnehmung dieser Stimmrechte erhielten sie Tokens, deren Wert dann immer mehr steige, je mehr Anleger sich für die Idee begeistern könnten. „Man erzeugt aus heißer Luft etwas, auf das Investoren schon deshalb aufspringen, weil sie Angst haben, etwas zu verpassen“, fasst LBBW-Analyst Guido Zimmermann zusammen.

Ist das bei Bitcoins nicht auch so?

Es gibt zweifellos Parallelen: „Bitcoin ist lediglich ein Software-Code, der dazu dient, Zahlenreihen übers Netz zu transferieren“, sagt Zimmermann. Und natürlich beruht auch der Preis dieser virtuellen Münzen darauf, dass Menschen an deren Wert glauben. Trotzdem gibt es jedoch Unterschiede: „Zumindest ist die Zahl an Bitcoins von der Stückzahl her begrenzt“, erläutert Guido Zimmermann.

Zudem funktionieren Geschäfte mit der ältesten aller Kryptowährungen auch dann, wenn einzelne Börsen oder andere Marktteilnehmer ausfallen. Die Software, auf der Bitcoin basiert, läuft auf über die ganze Welt verteilten Computern. Trotz aller Kursturbulenzen hat sich dieses System – die Bitcoin-Blockchain – seit dem Start 2009 als stabil erwiesen und gilt seinen Fans als Sicherheitsanker, falls offizielle Währungen wie Dollar oder Euro irgendwann drastisch an Wert verlieren sollten.

Aber jetzt fällt doch auch der Bitcoin-Kurs?

Die Talfahrt der Kurse begann schon vor einem Jahr, als die US-Notenbank die Märkte auf Zinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation einstimmte. Denn mit steigenden Zinsen auf vergleichsweise sichere Anlageprodukte sinkt die Attraktivität von riskanten Investments wie Kryptowährungen. Nach dem FTX-Fiasko ist der Bitcoin-Kurs noch einmal um gut 20 Prozent gefallen. Er hält sich aber „weiterhin deutlich oberhalb von 10 000 USD und damit dem Niveau, das als Ausgangspunkt der jüngsten Rallye im Herbst 2020 vorherrschte“, betont DZ-Bank-Analyst Sören Hettler.

Wird sich der Kurs wieder berappeln?

LBBW-Analyst Zimmermann ist da skeptisch. Die FTX-Pleite sei „ein Super-GAU für die Kryptoszene, weil sie institutionelle Investoren anziehen wollten“, sagt er. Auf Banken, Versicherungen oder Fondsgesellschaften dürften die jüngsten Ereignisse aber äußerst abschreckend wirken – zumal mit FTX-Gründer Bankman-Fried ausgerechnet ein Kryptostar enttäuschte, der für die Regulierung der Branche warb und in Washington als eine Art Vorzeigeunternehmer galt.

Zimmermann rechnet damit, dass bereits in der Branche aktive Großinvestoren ihr Engagement nun überdenken und Kryptoassets verkaufen werden, was zu weiteren Kursturbulenzen führen könnte. „Bitcoin wird für ein Nischenpublikum attraktiv bleiben, aber nicht mehr für die Masse“, glaubt er. Sein Kollege Hettler von der DZ-Bank hält es indes für verfrüht, „das Segment abzuschreiben“. Die Vorstellung, dass Bitcoin wegen der Mengenbegrenzung wie „digitales Gold“ funktionieren könnte, werde sich halten.