Günter Habermann zeigt die gefaltete Engelsfigur, die an Heiligabend auch im Ochsenwanger Mörikekirchle zu sehen ist. Foto: Ines Rudel

Eine Engelsgestalt des Kirchheimer Künstlers Günter Habermann schmückt an Heiligabend das Mörikekirchle in Ochsenwang. Und im März eröffnet im Oberlennninger Schlössle eine umfassende Werkschau des „Falters“.

Bissingen/Lenningen - Die Welt steckt voller Falten. Sie nisten in nicht mehr ganz so frischen Gesichtern, ganze Gebirgszüge verdanken ihnen ihr Entstehen, und auch die Sprache bedient sich ihrer bildhaften Prägnanz: Vor der Einfalt rangiert in der Wertschätzung allemal die Vielfalt. Bei dem Kirchheimer Kunstschaffenden und Werbefachmann Günter Habermann geht die Beschäftigung mit Falten indes recht weit über das Normalmaß hinaus. Er hat sich den Faltobjekten der Paper Art verschrieben, die Folgen schmücken auf die vielfältigste Weise die heimischen Wände, Vitrinen und das Atelier. Der 77-Jährige zu seiner Passion: „Hier kann ich mich als Ruheständler frei entfalten.“

Andy Warhol und Joseph Beuys haben sich verewigt

Habermann ist im Kreis kein Unbekannter. Von 1972 bis 1985 war der gebürtige Hannoveraner Werbeleiter bei Behr-Möbel in Wendlingen, zugleich auch PR-Chef und zuständig für Design und die Galerie. Danach stand der quirlige Mann elf Jahre in den Diensten der Kreissparkasse, hatte die Werbung unter sich und war mit den Kunstpreisvergaben betraut. Beide Positionen, bei Behr und der Sparkasse, brachten einen regen – und auch gewünschten – Umgang mit Künstlern mit sich.

Allein auf seiner vielen noch bekannten Sammlung ausrangierter Euroschecks haben sich knapp 200 Kunstschaffende, darunter Andy Warhol und Joseph Beuys, mit spontanen Kleinstwerken verewigt. Von 1973 bis 1990 zeichnete Günter Habermann auch für die Bühnenbilder der von seiner Frau Sigrid geleiteten Kirchheimer Ballettschule verantwortlich.

Bei Google sind die Objekte prominent vertreten

Zum „Falter“, so Habermanns Eigentitulierung, sei er vor drei, vier Jahren mehr zufällig geworden, sagt der Künstler. Als Freundschaftsdienst habe er die Grieshaber’sche Serie von der Josephslegende einmal im Zickzackfalz umgesetzt, und so die Falterei für sich entdeckt. Seither streben die schroffen Faltenscheitel himmelwärts, bilden verschachtelte Gebilde oder strenge Monolithen, mitunter überschneiden sich die strengen Linien wie Schienenstränge im Weichengewirr. Dann wieder glaubt man Konturen von Bekanntem herauslesen zu können, etwa den Engel mit ausgebreiteten Flügeln, ein luftiges Kleidungsstück oder ein Firmenlogo. Und wer Habermanns exquisite Faltenfotografien studiert, kann sich in Sanddünen wähnen oder inmitten mystischer Klüfte. Bei Google jedenfalls nehmen die „Papierfaltobjekte“ (so das Suchwort) des Kirchheimers bereits prominente Positionen ein.

Das zeichnerische Talent des Kaufmanns wird entdeckt

So leichtgewichtig bis fragil die dreidimensionalen Kreationen auch erscheinen, den Beginn von Habermanns künstlerischem Werdegang markierte als „Grunderfahrung“, wie er sagt, „die elementare Kraft des glühenden Eisens“. Diese erlebte er als angehender Industriekaufmann im Eisenhüttenwerk Wülfel bei Hannover. In Kursen bei der Werkkunstschule und in privaten Malschulen bildete sich der junge Mann fort, und nachdem sein zeichnerisches Talent entdeckt worden war, folgte die Werbefachschule. Der berufliche Weg ins Werbemetier war also vorgezeichnet, zu den persönlichen Stilmitteln des Künstlers zählten später unter anderem Collagen, Assemblagen und Figurinen genannte Drahtgeflechtarbeiten. Bei den Collagen sticht das 21-teilige, ans Arnold-Schönberg-Melodram „Pierrot Lunaire“ angelehnte Opus heraus. Als Vorlagen dienten Günter Habermann übrigens Schnipsel aus einem Bildband des Esslinger Starfotografen Dieter Blum.

Des Falters Schöpfungen haben nicht nur via Internet Freunde gewonnen, sondern auch vor Ort wächst ihr Bekanntheitsgrad. Das zeigt die Präsentation im Ochsenwanger Kirchle und die 2018 geplante Ausstellung im Lenninger Schlössle.