Der Bismarckturm lockt am Wochenende Jugendliche zum Feiern an Foto: Leif Piechowski

Seit er für das Publikum gesperrt ist, richten sich alle Augen auf den Stuttgarter Fernsehturm. Doch es gibt noch viele andere Bauwerke in der Stadt, die hoch hinaus streben. Wir stellen sie in unserer Sommerserie vor. Heute: Der Bismarckturm und der Türmer vom Killesberg.

Stuttgart - Rund um die Rosenbeete stecken bunte Papierschnipsel im Kies. Das Gesims des Bismarckturms ist ebenfalls davon gesprenkelt. „Da gab’s wohl wieder was zu feiern“, sagt Hans-Christian Wieder, der sich nicht lang mit Lamentieren aufhält. „Kommen Sie, schauen Sie“, sagt er und führt uns um den Turm herum zu einer in den Boden eingelassenen Lampe, deren Glas ein tiefes Loch hat. „Das macht man nicht allein mit einer Bierflasche, da hat jemand was absichtlich kaputt machen wollen.“

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 Türme in Stuttgart und Region

Zum x-ten Mal wird er einen Brief ans Gartenbauamt und an die Polizei schreiben und um Reinigung, Reparatur und Abhilfe bitten. Seit rund zwölf Jahren ist der Mitbegründer des Bürgervereins Killesberg eng mit dem Bismarckturm verbandelt. Als Nachbar mit Verantwortungsbewusstsein, als Freier Architekt mit Interesse an der Bauweise und als Bezirksbeirat für die CDU mit politischer Nähe zum Vermächtnis Otto von Bismarcks (1815–1898).

Der Gründer und erste Kanzler des Deutschen Reichs galt als eisern. Unumstößlich wirkt auch der Turm hoch über der Feuerbacher Heide, große Granitblöcke bilden Sockel, Säulen, Gesims – ein Turm für die Ewigkeit. Genau so war er auch gedacht, als die deutschen Studenten und Burschenschaften anlässlich von Bismarcks Tod den „Baumeister des Deutschen Reichs“ auf ganz besondere Art ehren wollten.

Man beschloss, Denkmäler für ihn zu errichten, auf denen anlässlich seines Geburtstags oder zur Sonnwende mächtige Feuerflammen weithin durch die Nacht lodern sollten, und schrieb einen Gestaltungswettbewerb aus. Gewonnen hat ihn der Architekt Wilhelm Kreis aus Eltville, der seinen Entwurf „Götterdämmerung“ nannte. Die Studenten der Technischen Hochschule in Stuttgart kratzten Geld für den Bau zusammen und feierten 1904 Einweihung, während Straßburg, anfangs als Standort favorisiert, nie einen Bismarckturm bekam. In grenzenloser Bismarckverehrung entstanden weltweit 238 Bismarcktürme, 47 davon nach dem Entwurf von Wilhelm Kreis; erhalten sind bis heute 170.

92 Stufen - und ein atemberaubender Weitblick

Dem Stuttgarter Exemplar drohte 1994 der Abriss, nachdem Steine aus der massigen Fassade gefallen waren. Zuletzt stellte die Stadt 1,6 Millionen D-Mark für eine Sanierung bereit, und auf Initiative des Bürgervereins wurde im Oktober Richtfest, 2002 dann Einweihung gefeiert.

Eine Stahltreppe führt in dem mit roten Ziegeln ausgekleideten Turminneren nach oben. 92 Stufen, die mit einem atemberaubenden Weitblick belohnen. Rund um den Turm ducken sich Villen an den Hang, beschattet von mächtigen Bäumen. Etwas weiter entfernt breitet sich das rote Dächermeer des Stuttgarter Westens aus, und wer sich einmal um die eigene Achse dreht, sieht vom Bosler (Zollernalb) übers Neckartal, den Kappelberg den Wunnenstein, ja selbst hinaus bis ins Strohgäu und – bei guter Weitsicht – den Katzenbuckel im Odenwald.

Kein Wunder, dass sich Verliebte gern hier treffen, um der Angebeteten die Welt zu Füßen zu legen. „Einer hat seiner Freundin hier auf dem Boden mal ein Herz aus Teelichtern ausgelegt, zuletzt wollte ein türkischer Mann seiner Freundin hier oben einen Heiratsantrag machen“, sagt Hans-Christian Wieder. Bei solchen Gelegenheiten verweist er nicht auf die regulären Öffnungszeiten, sondern schließt auch außer der Reihe die Stahltür auf.

In unserer Turm-Serie bereits erschienen:

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