Die deutschen Bischöfe sind in vielen Fragen weit weniger einig als hier beim Gebet. Foto: dpa/Arne Dedert

Bei ihrer Herbstvollversammlung berät die Deutsche Bischofskonferenz über den „Synodalen Weg“, mit dem die katholische Kirche nach den Missbrauchsskandalen wieder glaubwürdig werden soll. Die Bremser sitzen nicht nur in Rom.

Fulda - Als vor ziemlich genau einem Jahr die große Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche herauskam, gestand Kardinal Reinhard Marx ein, mit dem erschreckenden Befund würden er und seine Bischofskollegen alleine nicht fertig. Zur Aufarbeitung brauche es externen Rat und breitere Mitsprache. Über deren Form und Ausmaß entbrannte unter den Oberhirten der 27 deutschen Diözesen aber bald ein lautstarker Streit; und erst eine halbe Stunde vor Schluss ihrer Frühjahrsvollversammlung in Lingen – man musste der wartenden Öffentlichkeit ja etwas präsentieren – einigte sich die Deutsche Bischofskonferenz darauf, dass man einen „Synodalen Weg“ gehen wolle.

Was mit dem frisch erfundenen Begriff gemeint sein sollte, war da noch lange nicht klar. Über den Sommer sind nun ein Statut und Papiere erarbeitet worden – doch wenn die Bischofskonferenz diesen Montag in Fulda zu ihrer Herbstvollversammlung zusammentritt und die endgültige Beschlussfassung ansteht, ist noch längst nicht alles geklärt. Im Gegenteil: die Zerstrittenheit reicht weiterhin so tief, dass mancher gar von einer „Spaltung“ spricht. Dabei soll der auf zwei Jahre Dauer angesetzte „Synodale Weg“ schon in zehn Wochen beginnen. Oder er sollte es.

„So kann es nicht weitergehen“

Der Punkt ist folgender: Jene Forscher, die im Auftrag der Bischöfe die Missbrauchsstudie erarbeitet haben, sehen die Schuld an den mehrtausendfachen Verbrechen nicht allein im individuellen Fehlverhalten von Klerikern; sie sprechen auch von „systemischen“ Ursachen, von „strukturellen“ Mängeln in der Kirche selbst. Zu redlicher Auseinandersetzung, Aufarbeitung und Vorbeugung führt also – dieser Schluss war zwingend, und Kardinal Marx als Vorsitzender der Bischofskonferenz sagte: „So kann es nicht weitergehen“ – kein Weg an Reformen vorbei. Ins Auge gefasst wurden drei Problemfelder: Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, Sexualmoral, Lebensform der Priester. Hinzu kam im Sommer – weil die Bischöfe auf den „Synodalen Weg“ ja auch die kirchlichen Laienverbände mitnehmen wollen – auf Druck des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK) das Thema Frauen. Über deren „Dienste und Ämter in der Kirche“ soll nun auch offen diskutiert werden.

Während sich nun aber die Progressiven beispielsweise auf die Abschaffung des Zölibats, die Anerkennung der Homosexualität, die Priester- oder zumindest Diakonsweihe für Frauen einschossen, bekamen die Konservativen umso mehr Angst, auf „lautstarken Druck von außen“ solle – so der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki als Wortführer dieser Fraktion – „das uns anvertraute Glaubensgut mutwillig verändert“ werden. Außerdem handele es sich etwa bei Zölibat und Frauenweihe um weltkirchliche Themen, die auf nationaler Ebene nicht entschieden werden könnten. Woelki befürchtet einen „deutschen Sonderweg“ und „schlimmstenfalls“ den Bruch mit der Gesamtkirche.

Die Progressiven sehen sich bestärkt

Die Progressiven ihrerseits sehen sich durch weltkirchliche Entwicklungen bestärkt: Im Oktober tagt im Vatikan die „Amazonas-Synode“, wo südamerikanische Bischöfe über Kirchenreformen diskutieren, die dem dortigen Bedarf entsprechen. Zumindest auf der Themenliste steht auch die Aufweichung des Zölibats. Die deutschen Reformkräfte setzen ferner auf Papst Franziskus, der eine „heilsame Dezentralisierung“ der Kirche empfohlen hat. Doch ausgerechnet dieser Papst – oder/und die römische Kurie – tritt nun in Deutschland auf die Bremse. Das wiederum beflügelt die Konservativen.

Nach einem päpstlichem Brief vom Juni „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“, aus dessen gewundenen Formulierungen sowohl Liberale als auch Konservative das herauslesen konnten, was sie wollten, traf Anfang September eine geradezu vernichtende Stellungnahme des vatikanischen „Justizministeriums“ ein. Deutschlands Bischöfe, hieß es darin unter anderem, hätten in Rom um Erlaubnis für ihr „Partikularkonzil“ anfragen müssen. Und, das Schlimmste: Die in Deutschland vereinbarte „Parität von Bischöfen und Laien“ bei der Beschlussfassung widerspreche dem Kirchenrecht: „Wie kann sich eine Bischofskonferenz von einer Versammlung dominieren lassen, von der die meisten Mitglieder keine Bischöfe sind?“

Erst eine erboste Reaktion, dann ein braver Brief

Erbost protestierte Kardinal Marx, Rom hätte „vor der Versendung von Schriftstücken“ doch mal mit den Deutschen reden sollen; dann schickten er und der Vorsitzende des ZdK, Thomas Sternberg, einen braven Brief retour, in dem sie die „Einheit der ganzen Kirche“ betonen und den Gedanken der „Evangelisierung“ hervorheben, der dem Papst und den Konservativen gleichermaßen wichtig ist: Um bei der Verkündung ihrer Botschaft glaubwürdig aufzutreten, müsse die Kirche eben die „Lehren ziehen aus dem erschütternden Missbrauch geistlicher Macht.“

Bis zum Donnerstag wird die Bischofskonferenz debattieren – das faktisch letzte Wort aber über den Beginn oder eben nicht des „Synodalen Wegs“ spricht das ZdK. Die Vollversammlung der kirchlichen Laienverbände tagt erst in der zweiten Novemberhälfte.