Als Bischof der gastgebenden Landeskirche ist July beim Kirchentag viel gefragt Foto:  

Kirchentag in Stuttgart heißt für den Landesbischof der gastgebenden Landeskirche: voller Terminkalender. Mehr als ein Dutzend Termine absolviert Frank Otfried July an einem Tag.

Stuttgart - Die Nacht war kurz. „Ich bin erst nach 1 Uhr ins Bett gekommen“, gesteht July. Mit seiner Tochter und deren Freund habe er noch über die Eröffnung des Kirchentags diskutiert. „Wir haben ganz ordentliche Noten bekommen“, zeigt sich der 60-Jährige mit dem Urteil zufrieden.

6:00 Früh hat der Bischof seinen Wecker gestellt. Doch er schafft es nicht ganz, wie Ehefrau Edeltraud July verrät. Eine halbe Stunde Schlafverlängerung gönnt er sich noch. Dann bereitet er seine Unterlagen für den Tag vor, macht Notizen für Grußworte. Alles wird fein säuberlich, geordnet nach Terminen, in eine Unterschriftenmappe sortiert. „Ich bin normal nicht so ein Ordnungsfreak“, stellt July klar, „aber hier geht es nicht anders.“ 8:30 Nach dem Frühstück macht sich July mit seinem Fahrer Thomas Dreizler auf den Weg. Weil der Kirchentag möglichst nachhaltig und ressourcenschonend sein will, passt es, dass sich der oberste Vertreter der württembergischen Protestanten während des fünftägigen Glaubensfestes mit einem E-Mobil bewegt – ganz ohne klimaschädliche CO2-Emissionen. Ein Stuttgarter Autobauer hat ihm dafür eine B-Klasse zur Verfügung gestellt. Auf den Türen prangt der Leitspruch „Im Auftrag des Herrn“.

9:22 Zum Auftakt seines Besuchsmarathons widmet sich July dem Zentrum Jugend im Neckarpark. Hier präsentiert sich das Evangelische Jugendwerk Württemberg (ejw) in all seinen Facetten – für den Landesbischof ein Heimspiel. In der Scharrena hält Eddi Hüneke, Sänger und Mitgründer der A-cappella-Gruppe Wise Guys, eine Bibelarbeit zum Tagesthema des Kirchentags „Klug handeln – mit dem Mammon?“. Zum Auftakt animiert Hüneke die mehr als 2000 Besucher mit Dehn-, Streck- und Atemübungen zu einem Aufwärmprogramm. July wird nachdenklich: „Da muss ich mir noch was überlegen für meine ökumenische Bibelarbeit mit Bischof Fürst am Samstag, was wir als Wurm-up machen“, sagt er schmunzelnd.

10:29 Nach der Bibelarbeit unternimmt der Landesbischof noch einen kleinen Rundgang durch die Sporthalle, die mittels computergesteuerter Lichteffekte zu einer temporären Kirche umgestaltet wurde. Am Mischpult lässt sich er sich die Licht- und Tontechnik erklären, ehe er einen Blick in den Raum der Stille wirft, in dem der Kirchentagspsalm 90 räumlich erlebt werden kann.

10:50  Vor dem Stadion hat der ejw-Weltdienst, die Entwicklungshilfe-Organisation des Jugendwerks, ein Tukul aufgebaut. Tukul ist ein äthiopisches Wort für Rundhaus. Passend zum Kirchentag haben ehrenamtliche Mitarbeiter das Tukul in Form einer hölzernen Rundkirche gebaut. July spricht spontan ein kurzes Grußwort zur Einweihung, begrüßt den Präsidenten des YMCA Äthiopien und Gäste aus der Slowakei. Der Weltdienst verdeutlicht für July ideal die Globalität der Kirche und zeigt, „dass wir nicht nur um uns selbst kreisen“. Der Landesbischof stellt klar: „Wir wollen die Globalisierung nicht nur den Banken und Wirtschaftsunternehmen überlassen – Kirche ist die größte Globalisierungsbewegung weltweit.“

11:02  Als der Posaunenchor den Choral „Lobet den Herrn“ anstimmt, muss July schon wieder weiter, vorbei an den vielen Mitmachangeboten für Jugendliche, die großteils von Gruppen aus der Region angeboten werden. „150 000 Ehrenamtliche haben wir in der Landeskirche“, sagt July stolz.

11:12  Wenngleich der Zeitplan eng getaktet ist, kann er sich einen kurzen Stopp an einem Tischkicker nicht verkneifen. Der gebürtige Südhesse outet sich als Darmstadt-98-Fan, wo er die ersten 14 Jahre seines Lebens verbrachte. Zum Glück sei es nicht zu einem Relegationsspiel zwischen Darmstadt und dem VfB Stuttgart gekommen. „Da hätte ich dann schon dem VfB die Daumen drücken müssen.“

11:30  Pause, durchatmen, etwas trinken.

11:47  July nimmt Platz auf dem „roten Sofa“, dem Interviewpodium für prominente Gäste des Kirchentags. Ob er sich wohlfühle? „Ja, das Sofa ist bequem, und ich sitze nicht in der Sonne.“ Im weiteren Gespräch geht es um Loriot, Humor, Kirchensteuer, Klugheit, Luther und Fußball.

12:25  Mit dem Elektromobil geht es vom Neckarpark in die Stadt.

13:00   Im Treffpunkt Rotebühl geben die Evangelische Landeskirche und die Synode einen Empfang für Vertreter anderer Landeskirchen, gepaart mit einem schwäbischen Mittagessen. Es gibt Burgunderbraten mit Spätzle oder Maultaschen, und zum Nachtisch Schwarzwaldbecher.

14:30   Frisch gestärkt geht es emissionsfrei zurück in den Neckarpark. Die Organisatoren des erstmals seit 46 Jahren wieder parallel zum Kirchentag stattfindenden Christustags haben zum Pietismus-Empfang in die Mercedes-Benz-Arena eingeladen.

15:00  Zusammen mit Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär betont July, dass die Evangelische Landeskirche „beide Lungenflügel zum Atmen“ brauche, den pietistisch-konservativen wie den liberalen. Ralf Albrecht, Organisator des Christustags, nimmt den Ball auf: „Ich bin gespannt, ob der Pietismus auch beim Kirchentag 2017 wieder eine Rolle spielen wird.“

16:00   Zurück am Schlossplatz geht Julys Weg in das „Gasthaus“ der Landeskirche. Er begrüßt die ausländischen Gäste aus den Partnerkirchen. Insgesamt sind 5113 ausländische Besucher zum Kirchentag nach Stuttgart gekommen – aus 104 Ländern.

16:45  Pause. July macht sich letzte Gedanken für die Kurzandacht am Abend auf dem Schlossplatz, feilt mit seinem Sprecher Oliver Hoesch an Formulierungen für Pressemitteilungen. Anschließend macht er sich zu Fuß auf den Weg zum Hospitalhof.

19:00  Die Stiftung Bibel und Kultur zeichnet den syrisch-deutschen Schriftsteller Rafik Schami aus, der sich seit vielen Jahren für die Aussöhnung zwischen Palästinensern und Israelis engagiert. Als Vizepräsident des Lutherischen Weltbunds ist auch July zur Stärkung der Ökumene und der interreligiösen Beziehungen in vielen Ländern der Welt unterwegs.

22:00  Zum Tagesausklang spricht der Landesbischof den Abendsegen auf der großen Bühne am Schlossplatz. Ein letztes Mal ist July an diesem Tag unterwegs im Auftrag des Herrn.