Ein nicht genau datiertes Foto, vermutlich Ende der 50er-Jahre aufgenommen, zeigt den Wagenburgtunnel. "Die Röhre" hat es damals noch nicht gegeben. Wenn die Bauarbeiten für Stuttgart 21 weiter voranschreiten, wird der Musikclub zumindest an seinem angestammten Platz in einigen Monaten Geschichte sein. Warum das nicht nur für ihn selbst, sondern auch für Stuttgart ein herber Verlust ist, erzählt Betreiber Peter Reinhardt in der Bilderstrecke. Foto: Röhre

Bis zum 15. Januar 2012 wird in der Röhre weiter musiziert - im Sommer Nachlass bei Miete.

Stuttgart - An Tunneln fehlt es in dieser Stadt nicht. Und den Tunnelblick hat man jüngst gerne gepflegt. Dafür? Dagegen? Freund? Feind? Auf solch beschränkten Horizont können wir verzichten. Doch dass uns diese Art von Tunnelblick erhalten bleibt, ist schön: Der Music-Club Röhre lebt weiter.

Siehe da. Die Stadt ist lernfähig. Im Herbst hatte das Liegenschaftsamt den Betreibern der Röhre per Brief gekündigt. Stilloser ging es kaum. Kein Anruf, kein persönliches Gespräch. Nach 17 Jahren nur ein Schreiben. Zum 31. Dezember sollten Peter Reinhardt, Nanno Smeets und Jan Drusche raus aus dem Stummel neben dem Wagenburgtunnel. Sie müssen Stuttgart 21 weichen. Doch weil die Bahn sich Zeit lässt, bat die Stadt, nein, nicht mehr zum Diktat. Die Bürgermeister Susanne Eisenmann und Michael Föll trafen sich mit den Betreibern. Ergebnis: Bis zum 15. Januar 2012 wird in der Röhre weiter musiziert. Zudem gebe es im Sommer einen Nachlass bei der Miete, sagt die Stadt. Wohl eine Art Schmerzensgeld. Wie es weitergeht, bleibt abzuwarten. Auch den Wagenhallen und den Künstlern am Nordbahnhof klingelte das Totenglöcklein, und man hat sie doch nicht eingebuddelt.

Er war Stuttgarts Aufbau Ost, der Wagenburgtunnel. 1941 trieb man zwei Röhren in den Berg, um den Osten mit dem Zentrum zu verbinden. Der Krieg stoppte den Bau, die Menschen suchten dort Schutz vor Luftangriffen. 1958 hat man die Südröhre fertiggebaut, mit 824 Meter der längste Straßentunnel Deutschlands. Die Nordröhre blieb Bunker, war Weinkeller, dort übte das Ballett, 1985 zog die Röhre ein. Alt-OB Manfred Rommel sagte damals: "Ein Tunnel ist nichts anderes als ein Loch, ein nützliches Loch." Zunächst versuchte es die Stadt mit Subventionen vollzustopfen. Vergebens. 1993 übernahmen Peter Reinhardt und Kollegen die Röhre, auf eigenes Risiko füllten sie eine Lücke, entwickelten einen Live-Club mit eigenem Gesicht. Um mit Rommel zu sprechen, das spannendste Loch der Stadt.