Claus Schmiedel erklärt, warum er einen Nationalpark Nordschwarzwald wichtig und richtig findet. Foto: Judith A. Sägesser

Der Grüne Abgeordnete Nikolaus Tschenk hat jüngst eine Besuchergruppe psychisch Erkrankter aus Birkach im Landtag begrüßt.

Birkach/S-Mitte - Die Frau mit den braunen Haarspangen reckt den Hals, sie will nicht nur hören, was da unten geredet wird, sie will auch sehen, wer da spricht. Claus Schmiedel, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, argumentiert gerade am Rednerpult für einen Nationalpark im Nordschwarzwald. Er spart nicht an Schärfe in seinem Vortrag – vor allem gegenüber der Opposition. Der Grüne Nikolaus Tschenk liest etwas, die Sozialdemokratin Rita Haller-Haid tippt auf ihrem Tabletcomputer herum, der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann unterschreibt Schriftstücke in einer Postmappe, die Grüne Mutherem Aras gähnt. Das ist spannender als Landesschau gucken.

Die Dame, die sich auf der Besuchertribüne fast den Hals nach dem Geschehen unter ihr im Plenarsaal verrenkt, ist einer der persönlichen Gäste von Nikolaus Tschenk. Der Grünen-Abgeordnete für die Filderbezirke hat die Gruppe aus Birkach eingeladen. Die rund zehn Leute sind psychisch Erkrankte, die sich aus dem Café Fröschle kennen. Das Café Fröschle ist eine Tagesstätte des Gemeindepsychatrischen Zentrums in Birkach.

Interesse wecken vor allem die flinken Stenografen

Am jenem Tag – Mittwoch, 30. Januar – darf die Gruppe einen halben Tag im Landtag von Baden-Württemberg erleben. Die Frauen und Männer erfahren, welche Fraktion wo sitzt, wie die Entscheidungen getroffen werden, wann sich der Zeitplan komplett verschieben kann und dass das Landtagsgebäude demnächst saniert wird.

Besonders laut sind die Ohs und Ahs im Johann-Jakob-Moser-Saal, als Herr Franke vom Besucherdienst des baden-württembergischen Landtags von den Stenografen erzählt. Die müssen nämlich schier unmenschlich flink sein, um ja alles Gesagte – samt aller Zwischenrufe – in ihrem Stenoblock festzuhalten.

Eingestellt werde nur, wer mindestens 240 Silben in der Minute zu Papier bringen kann, sagt Herr Franke. Im Tagesgeschäft müssen die Stenografen jedoch 350 Silben in der Minute erfassen können. Ein Raunen geht durch den Raum. „Das ist ja Wahnsinn“, sagt eine Frau. „Bei der Abschlussprüfung mussten wir damals 120 Silben in der Minute schaffen.“

Nikolaus Tschenk ist für die Gruppe kein Fremder

Die Birkacher Gruppe hat die Einladung in den Landtag an der Konrad-Adenauer-Straße sofort angenommen. Das sei doch „gelebte Inklusion“, sagt Jutta Schüle, die sich ehrenamtlich im Café Fröschle engagiert. „Psychisch Erkrankte bekommen selten so eine Einladung.“ Nikolaus Tschenk, der auf dem Landtagsflur neben Jutta Schüle steht, nickt. Er kann sich in die Situation der Leute einfühlen, „ich hatte in meinem familiären Bereich ebenfalls einen Fall psychischer Erkrankung“, sagt er.

Für die Fröschle-Gruppe ist Tschenk kein Fremder. Der Grünen-Politiker war bereits zweimal bei den psychisch Erkrankten zu Besuch. Es war also an der Zeit für eine Gegeneinladung. Nikolaus Tschenk interessiert, welche Themen jenen Menschen wichtig sind, welche Fragen sie haben, was er für sie tun kann.

Die Fragerunde an den Abgeordneten beginnt direkt nach einer Zuhör-Stunde im Plenarsaal. Nachdem die Frau mit den braunen Haarspangen genau verfolgt hat, wer da unten am Rednerpult steht. „Bei der Debatte habe ich ziemlich gestaunt, wie man da miteinander umgeht“, sagt sie zu Tschenk. „Manchmal ja auch ziemlich frech.“ Sie will wissen, ob man sich da nicht ein dickes Fell zulegen müsse. „Meine Meinung ist, dass der Umgangston höflich bleiben sollte“, erwidert Tschenk. „Das wäre mir persönlich lieber, als sich ein dickes Fell zuzulegen.“