Hans Bientzle (hinten mit grüner Latzhose und Brille) im Kreise seiner Familie – zu der irgendwie auch die Maschine gehört. Foto: Julia Barnerßoi

In dem Filderbezirk steht eine Maschine, die Äpfel presst und das Ergebnis in Boxen verpackt.

Stuttgart-Birkach - Es rattert, es poltert, es zischt, es lohnt sich: Was vorne an Äpfeln und Birnen in den Trichter purzelt, kommt am Ende der riesigen silber-glänzenden Maschine als goldener Saft heraus. Stolz blickt Hans Bientzle auf seinen neuen Entsafter im XXL-Format. Zum ersten Mal benutzt er die 100 000 Euro teure Errungenschaft an diesem Nachmittag. Nur die Abfüllanlage, die den frisch gewonnenen Saft in Plastikbeutel eintütet, zickt noch.

„Bag-In-Box“ heißt die Abfüll- und Verpackungsart, die der Birkacher Bientzle seit vielen Jahren mit der ganzen Familie im Nebenerwerb betreibt. Das ist ein weitestgehend luftdicht verschlossener Plastikbeutel mit Zapfhahn in einer Pappbox – alles recycelbar. Der frisch gepresste Saft wird auf 78 Grad erhitzt und abgefüllt – ohne Zucker, ohne Zusatzstoffe. „Und trotzdem ist das Getränk ungeöffnet und ungekühlt mindestens zwei Jahre, geöffnet zwei Monate haltbar“, erklärt der 55-Jährige. Das Besondere: Im Gegensatz zu anderen presst Bientzle das Obst jedes Kunden einzeln, so erhält jeder den ganz eigenen Saft.

Mit lautem „Hallo“ rollt ein Traktor mit Anhänger in den Hof in Plieningen. Es ist das Grundstück eines Bekannten, auf dem Bientzle die sogenannte Bandpresse aufgebaut hat. „Früher haben wir in der eigenen Garage im Birkacher Wohngebiet gepresst“, erzählt Bientzle. Dort hat die neue Maschine aber keinen Platz mehr. Nun kommen die Kunden mit ihrem Obst eben nach Plieningen.

Hundert Kilo muss ein Kunde mindestens bringen

An diesem Nachmittag sind es die Brüder Siegfried und Thomas Kömpf und ihr Freund Martin Wacker aus Birkach, die Kunden der ersten Stunde sind. Seit Hans Bientzle Anfang der 90er Jahre mit einer kleinen Presse in Handarbeit mit dem Entsaften begann, sind die Kömpfs treue Kunden. „Wir bekommen eigenen Original-Saft aus unserem nicht gespritzten Obst, ohne jegliche Chemie“, lobt Siegfried Kömpf.

Sack um Sack laden die drei Männer von der Ladefläche. „Das sind etwa 18 Zentner“, schätzt Siegfried Kömpf. Hundert Kilo muss ein Kunde mindestens bringen, damit Hans Bientzle rund 60 Liter von dem Exklusiv-Saft machen kann. Abgefüllt wird in Fünf- und Zehn-Liter-Boxen. Sie kosten vier beziehungsweise 7,40 Euro.

Mit vereinten Kräften leeren die Männer die Äpfel und Birnen in den Trichter. Über ein Förderband fährt das Obst in die Höhe, fällt in ein Wasserbecken, dort wird es gewaschen. Dann reibt die Maschine das Obst und dosiert das Geriebene auf ein Band. Während sich dieses fortbewegt, drücken acht schwere Walzen den Saft aus dem Fruchtfleisch. Am Ende fällt der braune Rest – genannt Trester – in einen großen Container. „Den Trester fahren wir in eine Biogasanlage oder bringen es dem Förster als Futter für Rehe“, erklärt Bientzle.

Acht Wochen im Jahr dreht sich bei Bientzle alles um den Saft

Durch zwei Filter und eine Zählanlage fließt der Saft über einen langen Schlauch in zwei große Kanister auf der Ladefläche der Kömpfs. 546 Liter sind es am Ende gesamt. „Das wird Most“, sagt Siegfried Kömpf. Erst den Saft der nächsten Obstladung, die sie in ein paar Wochen bringen, lassen sie eintüten. Denn die Äpfel und Birnen werden besser, je länger sie am Baum hängen. Und damit auch der Saft. „Obst ist dann gut, wenn es alleine vom Baum fällt“, meint Hans Bientzle dazu.

Etwa acht Wochen im Jahr dreht sich bei Bientzle alles um den Saft. Der Nebenerwerb ist sehr aufwendig für den 55-Jährigen, der hauptberuflich als Service-Techniker für Baumaschinen arbeitet. Auch wenn seine Frau Petra, die Söhne Torsten und Jochen mit ihren Freundinnen Maren und Fabienne und Schwiegerpapa Kurt Kopp immer fleißig mithelfen.

Bientzle hat den Saft quasi im Blut. Sein Vater habe schon immer Most im eigenen Keller gemacht. Die Familie hat einige Streuobstwiesen: „Ich bin mit Obst aufgewachsen“, sagt er. Und außerdem möchte er denen, „die heute kleine Stückle mit Obstbäumen haben, die Chance geben, ihren ganz eigenen Saft zu bekommen“, sagt Hans Bientzle.

Aufhören werden die Bientzles so schnell also nicht. „Sonst hätte sich die Investition auch nicht gelohnt“, meint der 55-Jährige. Im Familienrat hat man beschlossen, die neue Presse anzuschaffen. Die Söhne wollen den Nebenerwerb fortsetzen. An diesem Nachmittag ist von Aufhören ohnehin keine Rede. Schon biegt der nächste Kunde hupend ums Eck. Äpfel werden ausgeladen. Dann geht es weiter an der großen Presse – ratternd, polternd, zischend.