Jutta Schneider-Rappmit dem Netz auf Schmetterlingsjagd Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Pflanzen und Tiere haben in Stuttgart kaum Lebensräume. Mit dem Projekt „Lebensraum Schmetterlingswiese“ wollen der BUND-Landesverband Baden-Württemberg und die Wilhelma Tagfalter in der Stadt ansiedeln.

Stuttgart - Auf der Wiese bei der Alten Meierei im Rosensteinpark blühen Schafgarbe und Klee, wachsen Disteln und Brennnesseln – als Zeichen einer neuen Willkommenskultur: In der Stadt sollen Schmetterlinge heimisch werden, und naturbelassene Wiesen und Gärten sind der ideale Lebensraum für sie. Allerdings gibt es nicht mehr viele davon – schon gar nicht in der Stadt, und auch auf dem Land geht die Vielfalt an Wiesenkräutern und Blumen zurück.

Seit fünf Jahren machen die Wilhelma-Gärtner auf der Projektfläche im Rosensteinpark so gut wie nichts. „Statt bis zu zehnmal mähen wir nur noch ein- bis zweimal im Jahr und düngen nicht mehr“, sagt Micha Sonnenfroh. Er ist als Fachbereichsleiter bei der Wilhelma für die Pflege der landeseigenen Flächen zuständig.

Noch mehr Wiesen für Schmetterlinge

Weitere Flächen, in denen die Schmetterlinge ein Zuhause finden sollen, sind eine zweite Wiese im Rosensteinpark, eine im Wilhelmapark, zwei Wiesen im Unteren Schlossgarten, je eine auf dem Rotenberg bei der Grabkapelle und beim Polizeipräsidium an der Hahnemannstraße sowie eine Wiese auf dem Gelände der Universität Vaihingen. Die Vorgehensweise der Gärtner ist bei allen Flächen gleich. Es wird wenig getan: nur noch bis zu zweimal pro Jahr gemäht, kaum gedüngt und die Wiese sich selbst überlassen. Allenfalls wurden ergänzend Wildblumen ausgesät. Damit Spaziergänger nicht glauben, die Wiesen würden vernachlässigt, weisen dort Schilder auf das Projekt hin.

Der Erfolg innerhalb der vergangenen fünf Jahre: Auf der Wiese bei der Alten Meierei im Rosensteinpark summt und brummt es. Hauhechelbläulinge, das Große Ochsenauge, der Kleine Kohlweißling oder das kleine Wiesenvögelchen flattern umher. Ab und zu bekommen die ansässigen Falter Kurzbesuch sogar vom Admiral. Der fliegt allerdings bald weiter in Gegenden, die seinem Lebensstil mehr entsprechen – etwa zu Obstbaumwiesen oder an einen Waldrand. „Insgesamt haben sechs Arten eine Heimat gefunden, darunter auch Bläulinge, die ohne solche Lebensräume über kurz oder lang auf die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten flattern würden“, sagt Sylvia Pilarsky-Grosch. Untersuchungen, wie viele Arten es vor Beginn des Projekts waren, gibt es nicht. Aber auf der Fläche direkt neben der Blumenwiese, auf der zu Vergleichszwecken so gut wie nichts blüht, summt und brummt nichts, und es sind dort nur Tagfalterarten zu finden.

Apropos finden: Im Gegensatz zu den Wilhelma-Gärtnern müssen die acht Helfer vom Bund einiges tun – und zwar suchen: Jutta Schneider-Rapp geht ihre Wiese zusammen mit ihrem 15-jährigen Sohn Nikolai an zehn Wochenenden im Sommer auf und ab. „Wir laufen immer den gleichen 200 Meter Zickzackkurs über die Wiese und schauen, ob wir links und rechts Schmetterlinge sehen“, sagt die ehrenamtliche Kartiererin. Die beiden zählen die Falter und bestimmen sie.

"Wir lassen aber alle wieder fliegen"

Sollten sie nicht wissen, um welche Art es sich handelt, fangen sie die Falter mit einem Netz ein, setzen sie in ein Glas und fragen einen Experten. „Wir lassen aber alle wieder fliegen“, versichert die 51-Jährige. Am Tag der Präsentation des Projekts klappt das allerdings nicht so gut. Die Falter geben sich öffentlichkeitsscheu, lassen sich nicht sehen. Stattdessen springt ein Hase über die Wiese und genießen Wildbienen das reichhaltige Angebot an Nahrungsquellen. endlich geht ein Falter, ein Kleiner Kohlweißling, ins Netz, der aber sofort wieder zu seinen Kumpels darf.

Bund und Wilhelma hoffen, dass durch das Projekt auch Privatpersonen in ihren Gärten oder auf dem Balkon Refugien für Schmetterlinge anlegen. „Dadurch würden die Falter Trittsteine durch die gesamte Stadt bekommen“, sagt Sonnenfroh. Viel braucht es dazu nicht, im Gegenteil: sogar weniger, weil weniger gedüngt und gemäht werden muss. Im Garten genügt ein Eckchen mit Wildblumen und einem Streifen Unkraut.

Das Projekt von Wilhelma und Bund läuft Ende des Jahres aus. Doch es soll trotzdem weiter geführt werden. Dafür werden noch Schmetterlingsbeobachter wie Jutta Schneider-Rapp gesucht. Außerdem lädt der BUND zu Schmetterlingsspaziergängen ein. Nächster Termin: 19. Juli, 14 bis 17 Uhr.

Anmeldung zum Spaziergang und Kontakt für Schmetterlingsbeobachter: Silvia Hämmerle, info@bund-stuttgart.de