Aus Steinbruch mach Gäranlage? Die Bürger in Bietigheim dürfen am kommenden Sonntag über diese Frage entscheiden. Foto: Werner Kuhnle

Hopp oder Topp? Am Sonntag entscheiden die Bürger von Bietigheim-Bissingen, ob es in ihrer Stadt eine Biomüllvergärungsanlage geben wird oder nicht. Sagen sie Nein, dann käme das die Betreiber teuer zu stehen.

Bietigheim-Bissingen - Ja oder Nein: vor dieser einfachen Frage stehen an diesem Sonntag rund 34 000 Wahlberechtigte in Bietigheim-Bissingen. Sie entscheiden darüber, ob die umstrittene Biogutvergärungsanlage auf dem Gelände des Steinbruchs Fink gebaut werden soll – oder eben nicht. In den vergangenen Monaten wurde die Diskussion darüber zunehmend hitziger: auf der einen Seite die Biogutvergärung Bietigheim GmbH (BVB), welche die Anlage bauen und betreiben will, auf der anderen Seite die Bürgerinitiative „Weder bio, noch gut“, die rund 8000 Unterschriften gesammelt hat, um den Bürgerentscheid zu erzwingen.

Die geplante Biogutvergärungsanlage soll auf dem Gelände des stillgelegten Steinbruchs Fink in Bissingen entstehen. Künftig sollen dort jährlich rund 48 000 Tonnen Biomüll angeliefert und verarbeitet werden. Dabei wird durch chemische Prozesse das Biogut zersetzt (vergoren). Herauskommen sollen Wärme und Strom. Die Wärme kann rund 2500 Neubauwohnungen ein Jahr lang heizen. Rund zwölf Millionen Kilowattstunden Strom, genug für den Jahresbedarf von 4000 Haushalten, könnte produziert werden.

Ein Knackpunkt ist allerdings: derzeit entstehen im Landkreis Ludwigsburg nur 22 000 Tonnen Biomüll jährlich. Der Betreiber geht davon aus, dass er zumindest 20 000 Tonnen mehr für einen wirtschaftlichen Betrieb braucht. Hilfe kommt aus Karlsruhe: dort hatte der Gemeinderat unlängst beschlossen, seine jährlich 17 000 Tonnen Biomüll nach Bietigheim zu liefern – vorausgesetzt am Sonntag findet sich eine Mehrheit für die Gäranlage.

Ja heißt Nein, Nein heißt Ja

Der Gemeinderat in Bietigheim-Bissingen hat Mitte Dezember 2015 mehrheitlich beschlossen, einen Bebauungsplan für das Gelände aufzustellen. Genau gegen diesen Beschluss richtete sich ein Bürgerbegehren, das nun zum Bürgerentscheid geführt hat. Die konkrete Frage auf dem Stimmzettel am Sonntag lautet daher: „Sind Sie gegen die Aufstellung eines Bebauungsplans für das Gelände des Steinbruchs nördlich der Kayhstraße in Bietigheim-Bissingen?“ Wer für die Anlage ist, stimmt also mit „Nein“, wer dagegen ist, mit „Ja“.

„Wir haben keine Alternative zu diesem Standort“, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke Bietigheim-Bissingen, Rainer Kübler, der auch einer von drei Geschäftsführern der BVB ist. Das heißt: sollten sich die Bürger gegen das Projekt entscheiden, ist das Vorhaben der BVB wohl gescheitert. „Dann wird es wohl keine Anlage im Landkreis geben“, sagt Kübler. Die bisherigen Planungskosten, die laut Kübler zwischen 600 000 und 700 000 Euro liegen, wären damit verloren.

Was ist, wenn die Mehrheit Nein sagt?

Der Ball läge dann wieder bei der Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises (AVL), die mutmaßlich erneut ausschreiben müsste. Laut Andreas Fritz, dem Sprecher des Landratsamts, hat sich der Kreis bereits vor Jahren darum bemüht, zusammen mit der Stadt Stuttgart eine Vergärungsanlage zu errichten. Eine solche soll in Zuffenhausen entstehen. Proteste gibt es laut der Stadtverwaltung kaum. Allerdings ist die Anlage mit rund 35 000 Tonnen Jahreskapazität auch kleiner. Leider habe die Kooperation nicht geklappt, teilt Fritz mit. Laut der Stadt Stuttgart gibt es am vom Gemeinderat favorisierten Standort zu wenig Platz für eine größere Anlage.

Kommt die Anlage nicht, würde auf dem Gelände in Bissingen mindestens drei Jahre lang gar nichts geschehen. So lange wirkt die Sperre durch den negativ beschiedenen Bürgerentscheid.

Und bei einem Ja?

Dann steht dem Bau der Anlage im Grunde nichts mehr im Wege. Die Entscheidung, was auf dem Steinbruch passieren soll, liegt aber trotzdem beim Gemeinderat. In dessen nächster Sitzung am 19. Juli steht das Thema erneut auf der Tagesordnung. Theoretisch könnten die Räte also ihrerseits einen Stopp einlegen, beispielsweise dann, wenn der Bürgerentscheid besonders knapp ausfallen sollte.

Viel wahrscheinlicher ist aber, dass die Räte grünes Licht geben – schließlich hat auch im Dezember eine Mehrheit für den Bebauungsplan gestimmt. Da die Firma Fink im April erklärt hat, den Betrieb im Asphaltmischwerk und im Betonwerk zum Ende des Jahres 2017 einzustellen, müssen die Räte auf jeden Fall darüber abstimmen, was auf dem Gelände geschehen soll.

Wer darf überhaupt abstimmen?

Beim Bürgerentscheid abstimmen dürfen rund 34 000 Einwohner der Stadt. Diese müssen seit mindestens drei Monaten in der Stadt wohnen und die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Die Wahllokale haben von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Die Stadt rechnet damit, dass der Entscheid inklusive Informationsmaterial für die Bürger rund 65 000 Euro kostet.