Die allermeisten Dinos starben bald nach dem Meteoriteneinschlag vor 66 Millionen Jahren aus. Foto: dpa

Die Giganten waren schon viele Jahrmillionen vor ihrem Aussterben auf dem absteigenden Ast.

Stuttgart - Schlagartig beendet ein Meteorit das Zeitalter der Dinosaurier, als er vor 66 Millionen Jahren in den Golf von Mexiko und auf die Halbinsel Yukatan in Mittelamerika donnert. Aus heiterem Himmel aber trifft der kosmische Bolid die Riesenechsen nicht, die mehr als 150 Millionen Jahre das Leben auf dem festen Land dominiert haben. Die meisten Dinos waren vielmehr schon seit rund 50 Millionen Jahren auf dem absteigenden Ast. Das zeigen Manabu Sakamoto und Chris Venditti von der Universität im englischen Reading gemeinsam mit Michael Benton von der Universität in Bristol mit den Methoden der modernen Statistik im Fachblatt „PNAS“. Der Einschlag des zehn Kilometer großen Meteoriten war demnach nur der rasche Höhepunkt des langsamen Sterbens der Dinos.

Völlig überraschend kommt diese Erkenntnis allerdings nicht. Diskutieren Paläontologen doch schon seit Jahrzehnten den langsamen Niedergang der Dinosaurier vor dem endgültigen Schlusspunkt. Nur sprachen die Fossilien bisher keine eindeutige Sprache und vor allem beleuchtete bisher niemand die grundlegenden Mechanismen der Dinosaurier-Evolution mit den Methoden der Statistik. Genau das holen die Forscher in England jetzt nach, wenn sie untersuchen, wie viele neue Arten im Laufe der Jahrmillionen entstanden und wie viele wieder ausgestorben sind.

Die Dinos blühten auf

Diese Methode liefert normalerweise einleuchtende Zusammenhänge: Tauchen in einer Gruppe von Tieren mehr neue Arten auf als alte verschwinden, sollte dieser Bereich aufblühen. Genau diese Entwicklung sehen die Forscher bei allen drei großen Dino-Gruppen vor rund 200 Millionen Jahren. Die Sauropoden mit den größten und bis zu 40 Meter langen Pflanzenfressern, die Therapoden mit bis zu 15 Meter langen Fleischfressern und so bekannten Vertretern wie dem Stegosaurus sowie die Vogelbeckensaurier bildeten viel mehr neue Arten als ausstarben. Später nahm die Entstehungsrate in allen drei Gruppen zwar langsam ab, lag aber noch sehr viele Jahrmillionen über der Aussterberate.

Vor rund 114 Millionen Jahren entstanden dann bei den Sauropoden und den Vogelbeckensauriern erstmals weniger Arten neu als verschwanden. Die Therapoden erreichten ihren absteigenden Ast schon sechs Millionen Jahre vorher. Danach verringerte sich die Zahl der Dino-Arten zunehmend, bis der Einschlag des Zehn-Kilometer-Meteoriten den Riesenechsen vor 66 Millionen Jahren den Rest gab.

Vogelbeckensaurier lebten weiter

Zwei Gruppen der Vogelbeckensaurier aber dachten auch in dieser Zeit nicht an Niedergang, sondern bildeten munter weiter neue Arten: Sowohl die Ceratopsier mit ihren imposanten Nackenschildern und Hörnern als auch die Entenschnabelsaurier mit ihren abgeflachten Schnauzen konnten mit ihren massiven Kiefern und kräftigen Gebissen Pflanzen fressen, die andere Dinos nicht verwerten konnten. Auch wenn in diesen beiden Gruppen rasch viele neue Arten entstanden, gehörten gerade einmal 14 Prozent aller Dino-Arten zu ihnen. Das aber reichte nicht, um den offensichtlichen Trend zum Niedergang beim großen Rest der Riesenechsen zu kompensieren.

Manabu Sakamoto, Chris Venditti und Michael Benton versuchen mit ihren statistischen Methoden auch die Mechanismen aufzuklären, die Blüte und Niedergang der Dinos steuerten. Eine tragende Rolle für das Aufblühen spielte anscheinend der Meeresspiegel, der langsam aber sicher anstieg. Mit der Zeit wurden dadurch niedrig liegende Festlandsgebiete überflutet, flache Meere entstanden, die vorher zusammenhängende Landmassen voneinander trennten. Gleichzeitig spaltete sich der einstige Superkontinent Gondwana in verschiedene Landmassen: Der Südatlantik entstand und trennte Afrika von Südamerika, Australien und die Antarktis gingen ähnlich wie Indien ebenfalls ihre eigenen Wege. Zersplittern Landmassen so in kleinere Einheiten, entstehen aus den voneinander isolierten Gruppen einer Art bald mehrere neue Arten, wissen Evolutionsforscher. Steigt der Meeresspiegel um einen Meter, steigt die Rate der Artenbildung bei den Dinos um 0,2 bis 0,25 Prozent, schließen die Forscher aus ihren Statistiken.

Warum der Niedergang?

Für den Niedergang der Dinos finden sie dagegen keinen eindeutigen Hintergrund. Vielleicht spielten die langen und starken Vulkanausbrüche eine Rolle, die Geologen aus dieser Epoche kennen. Sie könnten das warme Tropenklima in weiten Regionen der Erde verändert und damit auch den Dinos das Leben schwer gemacht haben. Mehr als 40 Millionen Jahre lang verringerte sich jedenfalls die Artenvielfalt der Riesenechsen. Andere Tiergruppen wie die damals noch relativ kleinen Säugetiere nutzten die so freigewordenen Nischen und bildeten neue Arten. Der Niedergang der Dinos läutete so deren Aufstieg ein, aus dem sich später so beeindruckende Gruppen wie Wale, Fledermäuse, Nagetiere und Affen entwickelten.