Wenn die Sonne zu stark scheint, kommen die Rinder tagsüber in den Stall und sind nachts auf der Wiese. Foto: Julia Bosch

Auf dem Bauernhof der Familie Ruckh in Waldenbuch kann man echte Allgäu-Stimmung erleben. Milchkühe und Hühner stehen draußen auf der Wiese. Mitunter müssen Familien aber zu später Stunde kommen, um die Tiere draußen zu sehen.

Waldenbuch - Mit dem Urlaub ist es dieses Jahr ja so eine Sache. Zwar öffnen im Land nach und nach wieder Campingplätze, Gasthäuser und Hotels, allerdings lässt sich vermuten, dass Ziele im Land wie Bodensee, Nord- und Ostsee oder das Allgäu 2020 noch begehrter als in normalen Jahren sind und Social Distancing dort dementsprechend schwer. Zumindest ein bisschen kann man sich aber auch ganz in der Nähe, auf dem Bio-Hof der Familie Ruckh in Waldenbuch, wie im Allgäu-Urlaub fühlen. Denn bei den Ruckhs weiden die Milchkühe noch auf der grünen Wiese – ganz so, wie man es von idyllischen Urlaubs-Postkarten kennt.

Für Bio-Tiere braucht es keine grüne Wiese

Bereits im Jahr 1995 haben Alfred und Margret Ruckh ihren Betrieb auf die damaligen EU-Bio-Richtlinien umgestellt. Seit 2000 ist der Betrieb ein anerkannter Bioland-Hof. „Wir sind ein Familienbetrieb, und leben davon“, erläutert Margret Ruckh. Die Familie verkauft Bio-Milch, Bio-Eier, Honig und seit Kurzem auch Mund-Nasen-Masken. Lohnkräfte gibt es auf dem Hof keine, die Ruckhs machen alles selbst. Seit gut zwei Jahren wohnt Sohn Johannes (26) wieder auf dem Hof: gemeinsam mit Frau Valerie (30) und den beiden kleinen Kinder. Sie teilen sich die Arbeit mit Alfred (59) und Margret Ruckh: den Futteranbau für die Tiere, das Mähen der Wiesen, das Füttern der 50 Kühe, 40 Jungtiere und der 220 Hühner, das tägliche Eierholen in den Hühnermobilen, das Bestücken des Hofautomaten – und das zweimal tägliche Melken und Treiben der Kühe, wenn sie vom Stall auf die Wiese oder umgekehrt wechseln.

Zwar müssen alle Landwirte, die sich den Bio-Richtlinien verschrieben haben, gewährleisten, dass die Rinder nicht ausschließlich im Stall sind. Allerdings braucht es dazu keine grüne Wiese, es reicht auch ein kleiner, überdachter Auslauf, wo die Tiere dann in der Regel auf Betonboden stehen. „Ein konventioneller Betrieb, der seine Tiere richtig auf Milchleistung züchtet und ausschließlich auf Stallhaltung setzt, könnte etwa doppelt so viel Milch verkaufen wie wir“, schätzt Johannes Ruckh. Das entspricht aber nicht dem Ansinnen der Familie, Natürlichkeit, Umweltbewusstsein und eine artgerechte Tierhaltung ist ihnen wichtig. „Es ist für die Tiere sehr erholsam, wenn sie im Sommer auf die Weide können“, sagt Margret Ruckh (55).

Kühe können Sonnenbrand bekommen

Allerdings fragen immer wieder Besucher nach, warum die Rinder im Sommer nicht komplett draußen stünden. Dafür gibt es gute Gründe, klärt Margret Ruckh auf: „Auch Kühe können Sonnenbrand bekommen.“ Sind sie zu lang praller Sonne ausgesetzt, macht sich dies vor allem rund um die Augen, an den Fesseln sowie am Euter bemerkbar. Und wenn dann das sonnenbrandgeplagte Euter mit der Melkmaschine in Berührung kommt, haben die Kühe Schmerzen. Im Hochsommer werden die Rinder deshalb vorrangig nachts auf die Weide geschickt. „Das ist für die Tiere viel angenehmer als tagsüber. Nachts ist es draußen schön kühl, und sie werden viel weniger von Mücken belästigt. Und wenn sie morgens in den Stall kommen, ist der gut durchlüftet und abgekühlt“, erklärt Johannes Ruckh.

Jedoch gehen nicht alle Rinder der Ruckhs zwischen April und September regelmäßig auf die grüne Weide. Etwa die Hälfte – das Jungvieh sowie die sogenannten Trockensteher, also jene Rinder, die gerade keine Milch abgeben – haben eine Art Außenterrasse hinter ihrem Stall. Die ist teilweise überdacht, und die Tiere können aber selbst entscheiden, ob und wann sie ins Freie wollen. Als Besucher sieht man die Tiere so oder so: Der Stall ist derart offen gebaut, dass man von außen hineinsehen kann.

Familien kommen zum „Tiere gucken“ vorbei

Bei den Kunden kommt das gut an. „Hier in der Gegend gibt es nur wenige Höfe, wo man die Tiere so gut beobachten kann“, weiß Johannes Ruckh. Vor allem Familien mit Kindern würden deshalb gerne vorbeikommen – nicht nur um Milch oder Eier zu kaufen, sondern auch um Rinder und Hühner zu studieren, „manche bleiben auch mal eine Stunde bei uns auf dem Hof.“ Seitdem durch das Coronavirus Ausflüge nur noch in beschränktem Rahmen möglich sind, würden einige bisweilen täglich bei ihnen vorbeikommen.

Alfred Ruckh hat dafür größtes Verständnis. Er hatte sich selbst zunächst dagegen gewehrt, Hühner auf dem Hof zu halten, hat sich dann aber von der Schwiegertochter Valerie überreden lassen, mobile Hühnerhäuser anzuschaffen. Angesichts dessen, dass fast jeden Tag kein einziges Ei im Hofautomat zurückbleibt, war die Entscheidung nur richtig. Und inzwischen sagt Alfred Ruckh selbst: „Es ist spannend, die Hühner zu beobachten.“