Eigenwilliger Fußballtrainer: Thomas Tuchel. Seinen Werdegang können Sie in unserer Bildergalerie nachverfolgen. Foto: Baumann

Eine neu erschienene Biografie über Thomas Tuchel liefert erhellende Einblicke in den Werdegang des heutigen Trainers von Paris Saint-Germain. Seine Lehrjahre verbrachte er im Nachwuchs des VfB Stuttgart.

Stuttgart - Thomas Tuchel ist einer der bekanntesten Fußballtrainer der Welt – eines aber war bislang weitgehend unbekannt: Dass er unter den Nachwuchsspielern des VfB Stuttgart einst als Stilikone galt. Seine lässige Militärkleidung samt Parka, sein alter Saab 900, sein Haarschnitt im Britpop-Stil– das imponierte den U-19-Spielern um Andreas Beck um Serdar Tasci in der Saison 2004/2005 derart, dass sie den gleichen Stuttgarter In-Friseur wie ihr Co-Trainer aufsuchten.

Die Erinnerungen an die Zeit von Thomas Tuchel in der Jugend des VfB sind Teil einer neu erschienen und äußerst aufschlussreichen Biografie über den heutigen Startrainer von Paris Saint-Germain (Werkstatt-Verlag, 192 Seiten, 19,90 Euro). Die beiden Autoren und Sportjournalisten Daniel Meuren und Tobias Schächter mussten bei ihrer Recherche zwar auf die Hilfe der Hauptperson verzichten, wie Tuchel jüngst in einer seiner raren Wortmeldungen auf Twitter klargestellt hat.

Doch ändert dies nichts an den tiefen Einblicken in Tuchels Karriereweg. Denn die Autoren Meuren und Schächter unterhielten sich mit vielen Wegbegleitern des so sperrigen wie genialen Trainers, der als junger Zweitligaprofi bei den Stuttgarter Kickers von Rolf Schafstall gedemütigt und von Ralf Rangnick zur Jahrtausendwende zum VfB geholt worden war. Zunächst als Amateurspieler, dann als Trainerlehrling.

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Der damalige U-19-Meistertrainer Hansi Kleitsch ist in dem Buch Kronzeuge für Tuchels Lehrjahre beim VfB. Der heutige Scout der TSG Hoffenheim war es, der das Trainertalent des verhinderten Profis erkannt und den ebenso ehrgeizigen wie jähzornigen Jungcoach gegen viele Widerstände im Verein maßgeblich gefördert hat. Nachdem Tuchel zuvor in der U14 und U15 tätig gewesen war, bekam er in der U19 von Kleitsch viele Freiheiten und große Verantwortung.

„Er konnte den Gegner sezieren, er hatte einen Röntgenblick. Seine Pläne für die Spiele funktionierten immer“, so erinnert sich Kleitsch, an seinen Assistenten, der im Rückblick oft betont hat, wie prägend die fünf Jahre im VfB-Nachwuchs gewesen seien: „Meine ganze Ansicht über Fußball, alles, was ich als Trainer weiß, hatte seinen Ursprung beim VfB“, sagte Tuchel 2012 in einem Interview mit unserer Redaktion.

Doch änderte auch der deutsche Meistertitel mit der U19 und sein hohes Ansehen bei den Spielern nichts daran, dass der VfB Tuchels Vertrag nicht verlängern wollte. Vergeblich habe Kleitsch beim damaligen Präsidenten Erwin Staudt zu intervenieren versucht, so schreiben die Tuchel-Biografen. Nachwuchschef Thomas Albeck, dem Staudt vertraute, hatte sein Urteil längst gefällt. „Ich habe schon immer gewusst, dass das ne Flasche ist“, das soll Albeck zu Kleitsch gesagt haben.

Albeck kann sich nicht mehr wehren – als Leiter der Nachwuchsakademie von RB Leipzig verstarb er 2017 völlig überraschend mit 61 Jahren.