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Immer mehr Gemeinden versorgen sich ausschließlich mit erneuerbaren Energien. Baden-Württemberg legt seinen Förderschwerpunkt dabei auf die Biomasse.

Stuttgart - Lautenbach, ein Ortsteil von Herdwangen-Schönach, ist ein 300-Seelen-Dorf, 20 Kilometer nördlich des Bodensees. Umgeben von Feldern und Wäldern wirkt der Ort auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich. Es gibt einen Kindergarten, eine Schule, Geschäfte und ein Café, in das Radfahrer und Wanderer gerne einkehren. Und doch birgt das kleine Dorf zwei Besonderheiten, die es von anderen unterscheidet. Zum einen ist das die Tatsache, dass im Dorf etwa 180 Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung zusammen mit ihren rund 130 Betreuern leben, lernen und in den ortseigenen Werkstätten arbeiten. Zum anderen ist Lautenbach eines der wenigen deutschen Dörfer, die sich dazu entschlossen haben, Bioenergiedorf zu werden, also sich ausschließlich mit selbst gewonnener erneuerbarer Energie zu versorgen.

"Es gibt keine klare Definition dafür, was ein Bioenergiedorf ist", sagt Helmut Böhnisch von der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA), die Gemeinden und Institutionen in der Nutzung von erneuerbaren Energien berät. Dörfer, die unter diesem Begriff gehandelt werden, zeichnen sich aber alle dadurch aus, dass sie ihren Strom aus Biogasanlagen gewinnen und die dabei entstehende Abwärme durch Kraft-Wärme-Kopplung über kilometerlange Rohrleitungen zum Heizen nutzen.

Die Idee, Bioenergiedorf zu werden, sei in Lautenbach eher zufällig entstanden. "Die Dorfgemeinschaft ist auf unser Unternehmen zugegangen, weil sie auf ihren Dächern Fotovoltaik-Anlagen bauen lassen wollte", erklärt Bene Müller von Solarcomplex, einem Unternehmen aus dem Bodenseeraum, das Anlagen zur Gewinnung von erneuerbarer Energie installiert und bereits Mauenheim, Lippertsreute, Schlatt und Randegg zum Bioenergiedorf-Dasein verholfen hat. Die Dorfgemeinschaft hatte bei ihm über die hohen Energiekosten geklagt. Weil man im Ort ein sehr ökologisches Bewusstsein pflegt, reagierten alle aufgeschlossen auf den Vorschlag, sich zum Bioenergiedorf zu wandeln - zumal durch die Maßnahmen nicht nur die Energiekosten gesenkt, sondern auch 600.000 Tonnen Kohlendioxid im Jahr eingespart werden können.

Wie es der Zufall wollte, berichtet Müller, habe zeitgleich zu der Entscheidung der Dorfgemeinschaft der Landwirt eines nahe gelegenen Hofes darüber nachgedacht, eine Biogasanlage zu bauen. Diese wird nun als Basis für die Strom- und Wärmeversorgung des Ortes dienen. Zusätzlich werden eine Hackschnitzelanlage sowie die ursprünglich geplanten Fotovoltaik-Anlagen errichtet. Im Herbst 2010 sollen die neu gebauten Anlagen dann bereits alle Gebäude des Ortes beheizen. Zudem werden sie im Jahr etwa zwei Millionen Kilowattstunden Strom produzieren, weiß Müller. Ein Vielfaches dessen, was das kleine Dorf selbst verbraucht. Der Überschuss soll in das allgemeine Stromnetz eingespeist werden. Die für die Strom- und Wärmeversorgung nötige Biomasse stamme dabei ausschließlich aus der näheren Umgebung, erklärt Müller. "Die Hackschnitzel kommen aus einem Umkreis von 20 Kilometern, die Energiepflanzen wachsen rund um den Ort."

Nun hofft die Dorfgemeinschaft von einem neuen Förderprogramm profitieren zu können, welches das baden-württembergische Wirtschaftsministerium Mitte Oktober aufgelegt hat. Bereits seit 2007 werde ein sogenannter Bioenergie-Wettbewerb vom Landeswirtschaftministerium durchgeführt, erklärt Konrad Raab aus dem Wirtschaftsministerium. Hierbei konnten allerdings nur solche Projekte Zuschüsse akquirieren, die sich als besonders innovativ auszeichneten. "Anfangs waren Bioenergiedörfer solche innovativen Konzepte", erklärt Raab. Da mit steigender Zahl deren Innovationsgehalt jedoch nachließ, man die Förderung der klimaneutralen Selbstversorger-Gemeinden allerdings nicht aufgeben wollte, habe man sich dazu entschlossen, die Förderung von Projekten, die ein Dorf energieautark machen, abzukoppeln. Deshalb gebe es seit Oktober einen Wettbewerb, der Fördergelder ausschließlich an Projekte vergibt, die den Wärme- und Strombedarf durch Biomasse decken.

"Insgesamt stehen für die Förderung im Jahr etwa 1,5 bis zwei Millionen Euro zur Verfügung", so Raab. Dieses Geld, das seither ausschließlich in den Wettbewerb um innovative Projekte zum Einsatz erneuerbarer Energien floss, wird nun auf beide Wettbewerbe aufgeteilt. Vierteljährig werden Fördermittelanträge von Gemeinden, Ortschaften oder Stadtteilen geprüft, die vorhaben, bei der Wärmeversorgung ihres Orts künftig auf erneuerbare Energien zu setzen. Diejenigen mit der besten Planung haben gute Chancen, aus dem Fördermitteltopf bis zu 100.000 Euro zu erhalten.

Die Veränderungen im Förderprogramm begrüßt auch Franz Untersteller, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, der sich schon lange für Bioenergiedörfer einsetzt. "Die Neuerungen waren dringend notwendig", betont er. Bioenergiedörfer leisten ihm zufolge einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, weshalb es richtig sei, sie stärker zu unterstützen.