Industrielle Zuckerrohrernte in Brasilien. Der einstige Zuckerlieferant wird heute oft zu Biosprit verarbeitet. Foto: dapd

Experten sehen Bioenergieziele der Bundesregierung kritisch. Besonders der Öko-Kraftstoff E10 kommt schlecht weg.

Stuttgart - Steigende Lebensmittelpreise und Hunger in Entwicklungsländern haben die Debatte um Biotreibstoffe neu entfacht. Viele der vermeintlichen Hoffnungsträger sind teuer, ineffizient und aus ethischen Gründen nicht vertretbar, sagen jetzt Experten.

Agrar- und Ernährungsfachleute haben den Kurs der Bundesregierung in Sachen Biotreibstoffe teils heftig kritisiert. „Die heutige Förderung von Bioenergie ist zu großen Teilen unsinnig“, sagte Harald Grethe, Agrarökonom an der Universität Hohenheim, am Rande einer Fachtagung am Donnerstag. Die von der Politik vorgegebenen festen Quotenregelungen bei Biokraftstoffen – etwa bei dem Ökobenzin E10 oder bei Biodiesel – seien wenig zielführend, sagte Grethe, der auch Vorsitzender des Beirats für Agrarpolitik beim Bundeslandwirtschaftsministerium ist. Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil von Biosprit am Gesamtverbrauch bis 2020 auf zehn Prozent zu steigern.

Die Förderung von Biokraftstoffen mittels fixer Quoten ist fester Bestandteil der Erneuerbaren-Energien-Strategie der Bundesregierung. Das System überlasse zu wenig dem Markt und sei daher ineffizient, sagte Grethe. Außerdem würden Technologien gefördert, die nur sehr wenig zur Vermeidung von klimaschädlichen Gasen – etwa Kohlendioxid CO2 – beitrügen.

Klimawirkung von Bio-Ethanol zweifelhaft

Um Klimagase effizient zu vermeiden, sollten nach Ansicht der Forscher vor allem all jene Technologien vorangetrieben werden, die ohne komplizierte biochemische Umwandlungsprozesse auskommen – ein Kriterium, das besonders auf die Erzeugung von Bioethanol in großen Raffinieren nicht zutrifft. Vielmehr berge die direkte Verbrennung von Biomasse die höchsten CO2-Einsparpotenziale gegenüber fossilen Brennstoffen, sagte Iris Lewandowski, die Leiterin des Zentrums für Bioenergie und Nachwachsende Rohstoffe in Hohenheim. Diese müsse allerdings in modernen Anlagen erfolgen, in denen neben Strom auch Wärme erzeugt werden könne. Als Brennstoffe eigneten sich nachwachsende Rohstoffe, die keine Verwendung als Nahrungsmittel fänden, also etwa Gräser, Stroh, aber auch Nutzbaumarten.

Die zunehmende Konkurrenz zwischen Nahrungsmitteln und Energierohstoffen ist eine der größten Sorgen der Wissenschaftler.

Schon heute verdrängen Energiepflanzen vielerorts Nahrungsmittel auf den Äckern. In den USA etwa werden aktuell rund 40 Prozent der Maisernte zur Produktion von Biotreibstoff verwendet. In Schwellen- und Entwicklungsländern wachsen die Anbauflächen für Palmöl und Zuckerrohr zur Spritgewinnung. Diese Entwicklung wird nach Ansicht der Fachleute durch die deutschen Bioenergieziele durchaus befördert. Anders als politisch oft kommuniziert, müsse Deutschland zur Erreichung seiner Ziele bei Biosprit in erheblichem Maß auf die Weltmarktproduktion zurückgreifen. Im äußersten Fall müssten fast 90 Prozent des Ökosprits in die EU importiert werden, sagte Grethe. Damit erhöhe sich der Druck auf die globalen Lebensmittelpreise. Um bis zu 20 Prozent könnte der Preis von Nahrungsmitteln durch die Konkurrenz von Energiepflanzen steigen.

Bio-Kraftstoffe treiben die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe

Die Auswirkung auf die Versorgung der Weltbevölkerung mit bezahlbarer Nahrung könnten derweil drastisch ausfallen. Schon heute geben die Menschen in Teilen Afrikas bis zu 80 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus. Schon gering steigende Preise für Mais, Weizen oder Reis haben hier Folgen. Hans-Konrad Biesalski, stellvertretender Leiter des Hohenheimers Food-Security-Centers rechnet aufgrund des Biospritbooms mit 40 bis 140 Millionen zusätzlich Hungernden weltweit bis zum Jahr 2030.

Gleichwohl – auch da sind sich die Experten einig – wird es ohne eine stärkere Nutzung von Biomasse zur Energieproduktion nicht gehen, sollen die EU-Klimaziele nicht verfehlt werden sollen. Einen Ausweg böten etwa steigende Hektarerträge in der Landwirtschaft oder eine bessere Nutzung der globalen Ackerflächen. So könnte insgesamt mehr produziert werden. Nach Angaben Lewandowskis sind derzeit etwa vier Milliarden Hektar Äcker weltweit ungenutzt. Bei der Biospritgewinnung setzen die Fachleute vor allem aus neuartige Öko-Treibstoffe, die nicht aus Nahrungsmitteln wie Weizen, sondern aus Abfallprodukten, etwa Stängeln oder Hülsen, gewonnen werden können.