Chjristie Komar ist jeden Tag draußen bei den Hühnern. Die Arbeit auf dem Bauernhof in Wangen macht ihm Freude. Foto: Horst Rudel

Psychisch und geistig behinderte Menschen versorgen auf einem Bauernhof in Wangen eine große Hühnerschar. Das kommt gut an.

Wangen - Wer auf dem Albert-Rapp-Hof in Wangen eine Patenschaft übernimmt, darf nicht erwarten, dass sein Patenkind einen Namen hat. Zum einen bedürfte es großer Kreativität, 450 verschiedene Namen zu finden. Außerdem handelt es sich bei diesen Patenkindern um Hühner der Rasse Lohmann Brown, und die gleichen einander wie ein Ei dem anderen. Sie auseinanderzuhalten ist zumindest für das menschliche Auge schlicht ein Ding der Unmöglichkeit.

Ein Jahr lang frische Bioland-Eier

Trotzdem sind die Hühnerpatenschaften auf dem Bauernhof der Lebenshilfe Göppingen gefragt. Sogar das Kinderhaus in Wangen hat eine übernommen. Für 150 Euro bekommen die Paten sechs frische Bio-Eier in der Woche, ein ganzes Jahr lang. Die Eier sind braun, bei der Rasse Lohmann Brown handelt es sich um sogenannte Braunleger, deshalb auch der Beiname Brown. Gleichzeitig tun die Paten Gutes. Sie ermöglichen ihrem Huhn ein zwar kurzes, aber doch artgerechtes Leben, und sie unterstützen psychisch oder geistig behinderte Menschen, die mit der Versorgung der Tiere eine Beschäftigung gefunden haben, die nicht nur sinnvoll ist, sondern ihnen auch Freude macht. Die Kunden des Hofladens wissen zudem, dass ihre Eier von glücklichen Hühnern stammen, die nach den Richtlinien des ökologischen Anbauverbands Bioland gehalten werden.

Sommers wie winters picken die Hühner im Freien

Diese Hühner haben es wirklich gut. Selbst im Winter verbringen sie die Tage pickend und scharrend im Freien. Ab und zu reinigen sie ihr Gefieder in einem Sandbad, das die Beschäftigten des Hofs eigens aufgestellt haben. Das Terrain ist zwar mit einem Elektrozaun eingefriedet, doch sobald es nicht mehr genug frisches Grün gibt, ziehen die Hühner weiter. „Das ist möglich, weil wir 16 Hektar Land haben, darunter auch viele Wiesen“, sagt Hans-Martin Maurer, der den Albert-Rapp-Hof leitet. Der Hühnerstall zieht jeweils mit. Die 450 Hennen und zehn Hähne sind in zwei sogenannten Hühnermobilen untergebracht. Dort schlafen sie nicht nur, sie suchen auch tagsüber immer mal wieder die eigenen vier Wände auf. Ihre Eier legen sie in saubere, mit leerem Dinkelspelz gepolsterte Legenester, auf die Mitarbeiter von außen Zugriff haben. Um 9 und um 14 Uhr werden die Eier „abgeerntet“, wie Hans-Martin Maurer es ausdrückt.

Die artgerechte Haltung kommt bei den Kunden gut an

Die artgerechte Haltung ist den Tieren anzusehen. Sie wirken gesund, ihr Gefieder ist intakt, und sie haben keine Verletzungen. Kannibalismus, der bei Hühnern immer wieder vorkommt, ist äußerst selten. Horrorszenarien, die man von Legebatterien hört, gibt es hier nicht. Hans-Martin Maurer weiß durch viele Mails, dass die Kundschaft dies besonders schätzt.

Die Hähne verteidigen ihre Hennen

Christie Komar ist einer der Männer, die für die Hühner zuständig sind. Er füllt zweimal in der Woche die Futterkästen auf, sorgt für frisches Wasser und reinigt das Hühnermobil. Er ist sichtlich stolz, dass er sein Revier zeigen darf. Er nimmt eine Henne hoch und präsentiert sie. Der Vogel bleibt erstaunlich gelassen. Als der Mann das Gleiche später auf der Wiese demonstrieren will, attackieren ihn zwei Hähne, die im Gegensatz zu den braungefiederten Hennen ein weißes Federkleid haben und mit ihren aufgeplusterten Federn fast doppelt so groß wirken, wie sie es tatsächlich sind. Christie Komar springt eilig über den Zaun, um dem wildgewordenen Federvieh zu entkommen. Obwohl er sich täglich um die Tiere kümmert, hat er nicht damit gerechnet, dass die Hähne ihre Hennen so energisch verteidigen. Doch die Hähne nehmen ihre Aufgabe ernst, gegebenenfalls auch gegenüber Menschen. Eigentlich sind sie dazu da, die Hühner vor Greifvögeln zu beschützen. „Wenn etwa ein Habicht über ihnen kreist, dann krähen sie so laut, dass die Hennen gewarnt sind und sich in Sicherheit bringen können“, erklärt Maurer.

Die Hühnerpatenschaften sind so gut angekommen, dass die Lebenshilfe ein drittes Hühnermobil anschaffen möchte. „50 bis 60 Paten sind es zurzeit, und das Interesse lässt nicht nach“, sagt Maurer. So wie es aussieht, hat die gemeinnützige Einrichtung auch schon einen Sponsor gefunden, der bereit ist, einen Zuschuss für das dritte Hühnermobil zu geben. Die Anschaffungskosten eines solchen mobilen Hühnerstalls beziffert Hans-Martin Maurer auf rund 40 000 Euro.