Der Umstieg auf Bio-Landwirtschaft erscheint vor allem Milchbauern als lukrative Alternative. Foto: dpa

Deutschland braucht mehr Bio-Anbaufläche. Wie schnell und mit welchen Mitteln umgesteuert werden soll, wird kontrovers diskutiert. Bio-Bauern präsentieren ihre Sicht auf einem Branchentreffen in Nürnberg.

Nürnberg - Bio-Lebensmittel sind in Deutschland vom kleinen Nischen- zum boomenden Wachstumsmarktgeworden. Binnen 15 Jahren hat sich der Umsatz damit auf 8,6 Milliarden Euro vervierfacht. Im gleichen Zeitraum konnte die heimische Bio-Anbaufläche aber nur auf gut eine Million Hektar verdoppelt werden, gibt Felix Prinz zu Löwenstein zu bedenken. Das führt dazu, dass immer mehr Bio-Ware aus dem Ausland importiert werden muss, um die heimische Nachfrage zu decken, erklärte der Chef des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (Bölw) bei einem Branchentreffen in Nürnberg.

Das Problem adressiert hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Er will dafür sorgen, dass die Bio-Anbaufläche von zuletzt acht auf 20 Prozent ausgebaut wird. Bis wann und wie, hat der Politiker bislang allerdings nicht gesagt. „Wenn es im bisherigen Tempo weiter geht, erreichen wir das 20 Prozent-Ziel ungefähr 2062“, kritisiert Löwenstein. Kleine Korrekturen seien nicht ausreichend. An Bauern, die von herkömmlicher auf Bio-Landwirtschaft umstellen wollen, würde es dabei nicht mangeln. Die rennen dem Bölw und anderen Anlaufstellen derzeit die Türen ein, vor allem auch weil ökonomische Not sie dazu treibt. Das betreffe speziell Milchbauern, erklärte Löwenstein. Der Preis für Milch liegt am Boden. Bio-Milch bringt nach Bölw-Angaben rund 25 Cent mehr je Liter.

Zur Umstellung auf Bio braucht ein Bauer drei Jahre Zeit

Einen konventionellen Hof kann man aber nicht über Nacht auf Bio umstellen. Dafür ist eine dreijährige Vorbereitungszeit nötig, innerhalb der ein Bauer auf staatliche Hilfen angewiesen ist, weil er zwar schon nach Bio-Vorgaben arbeitet, aber seine Ware noch nicht als solche verkaufen darf. Diese Zuschüsse verteilen sich auf mehrere Töpfe, die von der EU, dem Bund oder den Bundesländern gespeist werden. „Es ist vorprogrammiert, dass die Töpfe 2017 nicht ausreichen“, warnt Löwenstein angesichts der derzeitigen Flut umstellungswilliger Bauern. Dieses Jahr hätten bereits erste bio-willige Bauern im Saarland leere Umstellungstöpfe vorgefunden. Wolle die Politik wirklich ernst machen, müsse spürbar mehr Geld fließen.

160 Millionen Euro gehen derzeit jährlich an deutsche Bio-Bauern, sagt der im Bundeslandwirtschaftsministerium für ökologischen Landbau zuständige Referent Jörg Lotz. Bis zu drei Viertel dieser Summe komme von der EU. Den Rest müssten Bund und Länder aufstocken. Um auf ein Fünftel Bio-Anbaufläche zu kommen, sei die zweieinhalbfache Summe nötig, rechnet Löwenstein vor. Das sind 400 Millionen Euro. Auch in Eigenregie könnte der Bund aber Zeichen setzen, ist der Verbandschef überzeugt. Zum einen müsse Bio-Landbau gezielt in die Ausbildung an Universitäten und Landwirtschaftsschulen einfließen, wo das Thema heute kaum vorkomme. Zum anderen müsse das Bundesprogramm ökologischer Landbau, über das dortige Forschung gefördert wird, viel stärker als geplant aufgestockt werden. Im Agrarhaushalt für 2017 seien die Gelder dafür aber nur um drei auf 20 Millionen Euro erhöht worden. Nötig wäre eine Verdreifachung auf 60 Millionen Euro. Gemessen an den knapp sechs Milliarden Euro des Bundesagrarhaushalts insgesamt bliebe auch das eine überschaubare Summe.

Bund arbeitet an Zulunftsstrategie ökologischer Landbau

Sollte die Politik den Forderungen des Bio-Verbands folgen, könnte Deutschland eine Bio-Anbaufläche von 20 Prozent nicht erst 2062 sondern schon 2027 erreichen, sagt Löwenstein. Schmidts Ministerium will die Bölw-Forderungen nicht kommentieren. Es verweist auf eine in Arbeit befindliche Zukunftsstrategie ökologischer Landbau, die der Bundesagrarminister im Februar 2017 präsentieren will sowie auf eine geplante Revision der EU-Öko-Verordnung. Löwenstein wirbt dabei für Mut. Bei Ökolandbau gehe es nicht nur darum, heimische Bio-Nachfrage verstärkt auch aus heimischer Produktion zu befriedigen. Eine ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft könne auch viele Umweltprobleme entschärfen. Der Ökolandwirt verweist auf die jüngste EU-Klage gegen Deutschland wegen hochgradig mit Nitrat verseuchter Böden und entsprechender Belastung des Grundwassers. Das gehe einzig auf das Konto konventioneller Landwirtschaft. Dazu käme zunehmender Widerwille in der Bevölkerung gegen industrielle Tierhaltung. Noch ist Löwenstein aber nicht sicher, ob die Politik das verstanden hat und in Taten umsetzen will. www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ernaehrung-auf-der-filderbene-bio-ist-auf-den-fildern-besonders-beliebt.36002114-6c69-42bb-bf69-f7138f42dc95.html