Bernhard Villinger mit Queue in der Spielstätte des Billard Clubs Stuttgart in Feuerbach Foto: Jan Reich

1891 wurde er gegründet, doch mit der Tradition könnte es bald vorbei sein: Der Billard Club Stuttgart darf sein Domizil in Feuerbach nur noch bis zum Frühjahr nutzen. Andere Räumlichkeiten zu finden ist derzeit aber fast unmöglich. Deutschlands ältestem Billardverein droht das Ende.

Stuttgart - Bernhard Villinger holt die leicht vergilbte Satzung aus der Klarsichtfolie. Die Vereinsgründung, so heißt es da, erfolgte am 24. März 1891. „Wir sind damit der älteste Billard-Verein in Deutschland und einer der ältesten Vereine der Welt – lediglich in Amerika existiert einer noch länger“, sagt Clubchef Dieter Schüle. Vorstandsmitglied Villinger und Präsident Schüle sitzen im ersten Stock der Gaststätte 7ap Billard Sport Café in der Bludenzer Straße 7. Jenes Gebäude an der B 295 passieren täglich mehrere Zehntausend Autofahrer auf dem Weg in Richtung Pragsattel oder Stadtmitte.

Im Obergeschoss befand sich einst ein Kino, seit 1991 nutzt der Billard Club Stuttgart die 180 Quadratmeter umfassende Fläche mit den vier großen und zwei kleinen Karambol-Tischen. Karambol, auch Carambolage genannt, ist eine von drei Spielarten im Verein. Es gibt deshalb noch zwei weitere Spiellokale: Pool wird im Café Seven in der Wilhelmstraße in Stuttgart-Mitte gespielt, Snooker in der Breslauer Straße in Ludwigsburg.

Das Haus in Feuerbach allerdings ist das Zentrum des Vereins. Denn aus Karambol hat sich der gesamte Verein entwickelt. 35 bis 40 Karambol-Spieler sind im Verein, Snooker und das eher von Jüngeren gespielte Pool (an den Tischen dort geht es auch deutlich lauter zu) kommen zusammen auf 130 Spieler. „Karambol ist die Seele des Vereins, daraus ist alles andere erwachsen, doch diese Seele ist bedroht“, sagt der Präsident.

Überraschende Kündigung

Denn Karambol geht es an die Existenz. Der „schwere Schlag“, wie Schüle es ausdrückt, wurde dem 76-Jährigen während einer Hausbesichtigung Ende Oktober versetzt. Der Vermieter kündigte überraschend auf Ende April, weil das Haus abgerissen beziehungsweise erheblich umgebaut werden soll. „Wir sind aus allen Wolken gefallen, es gab keinerlei Anzeichen, wir hatten bis dahin 24 Jahre lang immer ein sehr gutes Verhältnis.“ Von ihrem Anwalt hat die Vereinsführung erfahren, dass gegen diese außerordentliche Kündigung nichts zu machen ist.

Damit ist klar: Ein neues Domizil muss gefunden werden. Schüle und Villinger haben einen „Hilferuf des Billard Clubs Stuttgart 1891 e. V.“ gestartet und fragen: „Welcher Vermieter hat ein Herz für Amateursportler?“ Benötigt wird ein Spielraum mit mindestens 150 Quadratmeter Fläche. Am liebsten würde der Verein seine drei Spielarten in Stuttgart in einem Objekt mit etwa 600 Quadratmeter Fläche zusammenziehen. „Selbstverständlich zahlen wir eine angemessene Miete, können uns aber als Amateure die höheren Mieten für Industrie- und Büroräume nicht leisten“, sagt Schüle. Und: Der Umzug würde wegen der schweren Tische (Gewicht eine Tonne) sehr viel Geld kosten. „Wir können uns nur ein Dauermietverhältnis leisten. Wir können auch in einem Untergeschoss ohne Tageslicht spielen, benötigen aber Heizung und Strom“, so Schüle. Sollte eine Firma Flächen übrig haben, so bietet der Verein einen Wochentag Billard an seinen Tischen als neuen Betriebssport für die Mitarbeiter an.

Unbezahlbare Mieten

Kontakte mit der Stuttgarter Stadtverwaltung gibt es. Allerdings: Vorhandene Lagerräume werden derzeit insbesondere für Flüchtlinge benötigt, entweder direkt als Unterkunft oder als Materiallager. Wenn das Liegenschaftsamt doch mal Angebote parat hat, sind diese für den Verein nicht zu bezahlen. Derzeit liegt die Miete nach Schüles Angaben bei monatlich 1500 Euro inklusive Nebenkosten.

Ein Angebot in Stuttgart-Freiberg mit 187 Quadratmetern kam auf 1300 Euro Miete plus 1450 Euro Nebenkosten. Ein anderes Objekt in Zuffenhausen mit 1700 Quadratmetern auf drei Geschossen würde 10.000 Euro im Monat kosten, „das ist für uns absurd, das geht überhaupt nicht“. Die Mitgliedsbeiträge (derzeit monatlich 17,50 Euro für aktive Mitglieder, 10 Euro für passive Mitglieder) aufs Doppelte zu erhöhen sei unvorstellbar. „Da haben wir bald keine Mitglieder mehr.“

Dem Verein als Ganzes würde es, sollte kein neues Quartier gefunden werden, zwar nicht an die Existenz gehen, erklärt Schüle. „Aber Karambol würde aufhören; es gibt in Stuttgart nirgendwo sonst Tische für Karambol.“ Zwei bis drei Monate könne man allenfalls noch ohne Spielstätte überbrücken, „aber nach einem halben Jahr verläuft sich alles“. Übrig im Billard Club blieben dann eben nur noch Pool und Snooker.

Unterschlupf im insolventen Autohaus?

So bleibt nur die Hoffnung, etwa in einem Stuttgarter Vorort doch noch eine Firma oder ein insolventes Autohaus zu finden, wo sie unterschlupfen könnten. „Sicher, wir sind kein Zuschauersport, wir sind eher eine Randsportart“, räumt Villinger ein. Aber das Ende der wichtigen Säule dieses traditionsreichen Vereins wäre ein herber Verlust für die Landeshauptstadt. „Vielleicht muss einer im Lotto gewinnen“, scherzt der 77-jährige Villinger, „aber ich selbst hatte bisher nur einen Dreier, das reicht nicht.“

Wer Räume kennt, kann sich per E-Mail unter dieter-schuele@web.de oder bernhard.villinger@augustinum.net melden.