Das Ludwigsburger Goethe-Gymnasium würde gern ein eigenes G 8-Modell umsetzen. Die Schulaufsicht will das nicht. Die Gründe sind nicht nachvollziehbar.
Vor 20 Jahren wurde in Baden-Württemberg das Abitur nach zwölf Jahren Schule eingeführt. Mit G 8 sollte das deutsche Schulsystem an internationale Standards angeglichen werden. Unter anderem wurden zentrale Vergleichsarbeiten, Naturwissenschaft und Technik als neues Fach und die zweite Fremdsprache ab Klasse 5 eingeführt. Kritik am Turbo-Abi gab es schon bei der Einführung, und sie ebbte nicht ab.
Am Ende war der Protest der Eltern so laut und gut organisiert, dass das Aus von G 8 bevorsteht. Zumindest flächendeckend. Es ist ein richtiger Schritt – vor allem, da es weiter Ausnahmen geben kann. Schulen ist es möglich, so gewünscht, auch weiterhin ein Turbo-Abi anzubieten.
Gymnasium in Vaihingen plant Turbo-Zug
Das Interesse am Sonderweg scheint jedoch verhalten. Zahlen, wie viele Gymnasien im Land G 8 im Portfolio behalten wollen, liegen dem Regierungspräsidium Stuttgart noch nicht vor. Ein Blick in den Landkreis bestätigt jedoch den Eindruck des mangelnden Interesses. Stand jetzt möchte lediglich das Vaihinger Ernst-Abel-Gymnasium den Turbo-Zug des Landes anbieten.
Das größte baden-württembergische Gymnasium, das Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium, ging bei Bildungsreformen stets voraus. Bevor das Turbo-Abi vor 20 Jahren eingeführt wurde, probierte man es in Marbach in zwei Motiviertenklassen aus. Doch jetzt kehrt das Gymnasium, das bisher eigentlich immer eine breitestmögliche Vielfalt an Wahloptionen bieten wollte, G 8 konsequent den Rücken. Man wolle gewährleisten, dass weiterhin alle alle Profile und Fremdsprachen belegen können. Was bei einer getrennten Führung eines G 8-Zuges nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sei, argumentiert der Schulleiter und bestätigt damit die Einschätzung von Kollegen, die das Landesmodell kritisieren. Die Kritikpunkte: Es soll ressourcenneutral umgesetzt werden, was etwa zur Folge hat, dass Sport, Religion und Ethik sowie die zweite und dritte Fremdsprache temporär oder durchgängig mit altershöheren G9-Gruppen gekoppelt werden muss. Sinnvolle Stundenpläne scheinen unmöglich, sagen Praktiker – auf die man hören sollte.
Verständlich also, dass das Ludwigsburger Goethe-Gymnasium einen Sonderweg gehen wollte und mit Herzblut an dessen Umsetzbarkeit getüftelt hat. Am Ende stand eine Lösung, die jungen Menschen eine große Chance bieten würde. Die sogenannten Schnellläuferklasse überspringt gemeinsam Klasse 6, kann alle Profile wählen und bleibt bis zur Oberstufe zusammen.
Und was macht das Kultusministerium? Die Behörde pocht auf die Umsetzung des eigenen Modells und gibt dem Schulleiter einen Korb – entgegen vorheriger positiver Signale. Sonderwege sind nicht gewünscht. Seien sie noch so sinnvoll und umsetzbar. Der Verweis auf Paragraf 5 der Versetzungsordnung für Gymnasien erscheint fadenscheinig. Er lässt das Überspringen einer Klasse bei überdurchschnittlichen Leistungen zu. Im Kollektiv und ohne Einzelfallprüfung könne diese Karte jedoch nicht gezogen werden, so der Hinweis aus Stuttgart. Das wäre nicht „verordnungskonform“.
Unterschiedliche Rechtsauffassungen
Dass eben diese Einzelprüfung am Goethe ausdrücklich erfolgen würde – geschenkt. Dass das Land denselben Paragrafen vor 20 Jahren anders ausgelegt und das klassenweise Überspringen am FSG ermöglicht und Rechtssicherheit gesehen hatte – geschenkt. Die Engstirnigkeit und die fragwürdige Auslegung des Paragrafen zeugt jedenfalls von wenig Vertrauen in die Kompetenz der Schulen. Und es zeugt auch nicht von ernsthaftem Bemühen für Bildungsvielfalt. Darüber hinaus ist es alles andere als eine vertrauensbildende Maßnahme in die Politik. Dabei wäre die mehr denn je geboten.