Die Probleme mit der Bildungs- und Lernsoftware „ella“ sorgen im Südwesten für helle Aufregung. Foto: dpa

Die Pleite mit der digitalen Bildungsplattform für Schulen kann das Land mehr als 20 Millionen Euro kosten. Iteos, der Entwickler der von der Kultusministerin gestoppten Software, verlangt die Zahlung bis 21. Dezember. Das bringt die Abgeordneten auf die Palme.

Stuttgart - Das Land könnte mehr als 20 Millionen Euro verlieren und die Schulen sind von einer digitalen Bildungsplattform so weit entfernt wie zuvor. Zudem könnte ein langwieriger Rechtsstreit drohen und jeder schiebt die Schuld auf den anderen. Doch für Hans-Ulrich Rülke, den Chef der FDP-Landtagsfraktion ist klar, das könnte die Quittung sein für das „katastrophale Projektmanagement“ des Innenministers und der Kultusministerin bei der Einführung der Bildungsplattform „ella“. „Auch wenn sie es immer wieder versucht haben, können die beiden Minister die Verantwortung für die ella-Pleite nicht abstreifen“, wettert Rülke. Und am Ende müsse der Steuerzahler die Rechnung begleichen.

Der IT-Dienstleister Iteos, getragen vom Land und einem kommunalen Zweckverband, hat jetzt vom Land 20 Millionen Euro gefordert, zahlbar bis 21. Dezember. Das sei „die noch ausstehende Vergütung für die Einführungsphase“, schreibt der Iteos-Vorstandsvorsitzende William Schmitt an das Land.

Kultusministerin Susanne Eisenmann hatte im Einvernehmen mit Innen- und Digitalisierungsminister Thomas Strobl (beide CDU) in einer Sitzung des Bildungsausschusses erklärt, das Land wolle die Bildungsplattform nicht mehr zusammen mit Iteos verwirklichen, sondern europaweit ausschreiben. Das Projekt hatte Eisenmann kurz vor Beginn der Testphase an den Schulen wegen Mängeln gestoppt.

Iteos dreht den Spieß um

Iteos erklärt in einem Schreiben das unserer Zeitung vorliegt, der Rücktritt des Landes sei nicht wirksam. Gründe seien „weder vorgetragen noch ersichtlich“. Die Anstalt öffentlichen Rechts dreht jetzt den Spieß um und kündigt die Geschäftsgrundlage, einen so genannten Letter of Intent. Aufgrund des „vertragswidrigen Verhaltens“ des Landes sei Iteos „eine weitere Tätigkeit nicht zumutbar“.

Die Forderung und ein möglicher Rechtsstreit lässt Abgeordnete wie die Verantwortlichen in den Ministerien nach Luft schnappen. Die AfD verlangt einen Untersuchungsausschuss. Siegfried Lorek, Bildungs- und Innenpolitiker der Landtags-CDU, findet klare Worte: „Iteos präsentiert eine anscheinend fertige Plattform, verschweigt dann Probleme bei der Umsetzung, lässt die eingeräumte Zeit zur Korrektur verstreichen und fordert nun einen Millionenbetrag. Das ist nicht nur schlechter Stil, sondern einfach unverschämt und nicht hinnehmbar.“ Mit der hohen Forderung wolle Iteos „nur von seinen selbst verursachten Problemen ablenken“, vermutet Lorek.

Das Kultusministerium hält sich offiziell zurück. Die Zuständigkeit liege beim Innenministerium. Dort gibt man sich beherrscht. „Die Forderung nach Bezahlung eines Betrages in Höhe von 20 Millionen Euro für das Projekt Digitale Bildungsplattform Baden-Württemberg ist aus unserer Sicht nicht begründet“ , erklärt ein Sprecher von Innenminister Strobl. Das Land habe vielmehr seinerseits Iteos aufgefordert, die bereits bezahlten Raten von 6,5 Millionen Euro bis 26. November zurückzuzahlen. Das sei aber nicht geschehen.

Das Land hatte mit dem Dienstleister vereinbart, dass für die Einführung von „ella“, also den konkreten Betrieb, in den Jahren 2018 und 2019 in 24 Monatsraten 20 Millionen Euro bezahlt werden. Für den Aufbau der Plattform waren 8,7 Millionen Euro fällig, die im Jahr 2017 überwiesen wurden.

Alternative zum Gerichtsprozess gesucht

Hinter vorgehaltener Hand munkeln Abgeordnete und Ministeriale, Iteos bereite sich mit der Forderung auf einen möglichen Rechtsstreit vor, und baue quasi Verhandlungsmasse auf. Ein Prozess wäre aber erstens langwierig und zweitens für das Land schwierig. Schließlich ist Baden-Württemberg mit zwölf Prozent selbst an dem Unternehmen beteiligt. Jetzt wird ein Ausweg gesucht: „Das Innenministerium beabsichtigt, in einem gemeinsamen Gespräch mit Iteos und den anderen beteiligten Stellen Verständigungsmöglichkeit zu erkunden“, läßt Strobl erklären. Ein Termin stehe aber noch nicht fest.

Wie es mit der Plattform und den Forderungen weitergeht, beraten an diesem Mittwoch und am Donnerstag der Innen- und der Bildungsausschuss des Landtags. „Wir brauchen endlich Klarheit zu den ausstehenden Zahlungen und möglichen Schadensersatzansprüchen“, verlangt Stefan Fulst-Blei (SPD). Strobl und Eisenmann dürften „auf keinen Fall noch mehr Steuergelder verzocken“. Die IT-Behörde des Landes, BitBW, ist derweil im Auftrag des Kultusministeriums dabei, die neue Ausschreibung des Projekts vorzubereiten. Denn die Schulen bräuchten die digitale Plattform eigentlich dringend.