Bildungsplangegner und Gegendemonstranten beim Schillerplatz Foto: Lichtgut/Horst Rudel

Bei der letzten Demo der Bildungsplangegner vor der Landtagswahl ist es zu den bisher heftigsten Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten gekommen. Verletzte gab es zahlreiche, auch bei der Polizei, und Reisebusse sind mit Steinen beworfen worden.

Stuttgart - Fliegende Steine, Pfefferspray, Schlagstöcke und berittene Polizei – so heftig wie bei der 9. „Demo für alle“ waren die Ausschreitungen noch nie. 4500 Demonstranten des konservativen Aktionsbündnisses „Für Ehe und Familie – Stoppt Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder“ waren am Sonntag zu einer Kundgebung auf dem Schillerplatz und einem Demozug nach Stuttgart gekommen. Und wie schon bei den Veranstaltungen zuvor hatten sich erneut mehrere Hundert Menschen an verschiedenen Plätzen in der Innenstadt versammelt, um gegen die Demo zu protestieren. „Die Gegendemonstranten aus dem linken Spektrum waren viel motivierter als sonst“, sagt Polizeisprecher Olef Petersen.

Am Wilhelmsplatz versperrten etwa 50 Störer den Weg der Bildungsplangegner. Die Störer und die Polizei gerieten heftig aneinander, die Beamten setzten Reiterstaffeln, Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Ebenfalls mit Pfefferspray verhinderte die Polizei am Schillerplatz, dass Gegendemonstranten über die Absperrgitter kletterten, um zu den Bildungsplan-Gegnern vorzustoßen. Am Abend dann zog die Polizei Bilanz: Aus ihren eigenen Reihen sind sechs Polizisten verletzt worden, einer davon erlitt einen Trümmerbruch am Finger. Bei den Gegendemonstranten wurden 15 Personen verletzt. Zur Versorgung der Verletzten rückte eine Kolonne von Krankenwagen an. Drei Reisebusse, die Demonstrationsteilnehmer nach Stuttgart gebracht hatten, wurden mit Steinen beworfen. Zwei Tatverdächtige sollen gefasst worden sein.

Presseschelte und Wahl-Ansagen

Die Veranstalter der „Demo für alle“ sehen keinen Zusammenhang zwischen den heftigen Zusammenstößen und der Landtagswahl am 13. März. „Uns geht es um die Sache – deswegen hatten wir diesmal keine Politiker als Redner auf der Bühne“, sagt Alexander Tschugguel vom Organisationsteam der „Demo für alle“. Bei früheren Veranstaltungen kamen die politischen Redner vor allem den Reihen der AfD oder der CDU. Die Christdemokraten mussten dafür allerdings auch Kritik aus den eigenen Reihen einstecken.

Wie schon bei den acht Veranstaltungen zuvor geht es den Bildungsplan-Gegnern – entgegen der Beteuerungen – doch auch um Parteipolitik. Die Publizistin Birgit Kelle sagte etwa in ihrer Rede, dass dem „grün-roten Spuk“ ein Ende bereitet werden müsse, und forderte dazu auf, entsprechend zu wählen. Demonstrationsteilnehmer bezeichnen Tageszeitungen ungeniert als „Lügenpresse“ und die Stuttgarter Nachrichten als das „Amtsblatt der Linkspartei“.

Wen man wähle? „Natürlich die AfD“, sagt zum Beispiel Vadim H. (26) von der russisch-charismatischen Kirche in Heilbronn. Umstehende Demonstranten nicken, Merkel müsse weg.

Andere Teilnehmer äußern sich anders: Julia Denzel (28) aus Biberach fordert in sachlichem Ton dazu auf, die Demonstration nicht als „ultrakonservativ“ zu bezeichnen. Die Betriebswirtin fühle sich durch das Wort verunglimpft und sei, sagt sie, tatsächlich an einer sachlichen Auseinandersetzung über Bildungspolitik interessiert.

Solches Interesse gab es auch aufseiten der Gegendemonstranten, von denen die meisten in verschiedenen Bündnissen organisiert friedlich gegen die in ihren Augen homophobe Gruppe protestierten. „Schwule, Flüchtlinge – dort wird Hass gegen alles Fremde geschürt und in Wahrheit Wahlkampf für die AfD gemacht“, sagt Holger Edmaier vom Bündnis „Vielfalt für alle“, der eine Protestaktion auf dem Kleinen Schlossplatz moderierte. Dort sprachen prominente Befürworter des Bildungsplans wie Landtagsvizepräsidentin Brigitte Lösch (Grüne) oder Linken-Stadträtin Laura Halding-Hoppenheit auf einer Bühne. Die Oper veranstaltete ein Kulturfestival, das nach eigenen Angaben rund 2000 Menschen besucht haben, und sie hisste, unverdrossen von der einstigen Kritik, das Regenbogenbanner mit der Aufschrift „Vielfalt“.