Auch Schülerpraktika gehören zur Berufsorientierung Foto: dpa-Zentralbild

Von 2016 an wird an den weiterführenden Schulen im Südwesten das Fach Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung eingeführt. Die Gewerkschaften fordern Nachbesserungen.

Stuttgart - Seit Montag können Interessierte im Internet erfahren, was die Schüler in Baden-Württemberg vom nächsten Schuljahr an lernen sollen. Das Kultusministerium hat den Entwurf für die neuen Bildungspläne zugänglich gemacht, damit sich jeder informieren und – wenn gewünscht – bis Ende Oktober auch dazu äußern kann.

Nicht intern, sondern öffentlich hat am Mittwoch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Baden-Württemberg die Bildungspläne kommentiert. Dass Schüler künftig eine „breite sozioökonomische Bildung“ erhalten sollten, sei positiv, sagte Nikolaus Landgraf, Landesvorsitzender des DGB. Umso bedauerlicher sei, dass die in dem Entwurf beschriebenen Kompetenzen hinter dem Anspruch zurückblieben. „Die jetzt vorgelegten Anhörungsfassungen genügen den gewerkschaftlichen Anforderungen noch nicht“, sagte Landgraf. So werde zwar die Rolle von Arbeitnehmervertretern thematisiert, den Arbeitgebern werde aber deutlich mehr Raum gegeben. „Das Vorhaben läuft Gefahr, Schüler nur als funktionierende Arbeitnehmer zu formen.“ Landgraf kritisierte auch, dass die Schulen schon heute oft Unterrichtsmaterialien mit einer einseitigen Sicht von Wirtschaftsverbänden nutzen. Anders als Schulbücher müssten diese nicht vom Kultusministerium genehmigt werden.

Dass die Fächer Gemeinschaftskunde und Wirtschaft künftig getrennt unterrichtet werden, hält DGB-Vize Gabriele Frenzer-Wolf für einen grundlegenden Fehler. Es bestehe die Gefahr, dass den Schülern „modellhafte ökonomische Denkschemata“ vermittelt würden. Diese müssten jedoch auch „das Denken in Alternativen“ lernen und sich ein eigenes Urteil bilden können.

Wirtschaft verteidigt eigenständiges Fach

Aus Sicht der Kölner Wissenschaftlerin Birgit Weber kommt auch die Verbraucherbildung zu kurz. So würden Kaufentscheidungen durch ökonomische Prinzipien erklärt. Welche Rolle zum Beispiel die Werbung spiele, werde nicht ausreichend berücksichtigt. Auch ethische, soziale und ökologische Aspekte kämen zu kurz. Der DGB fordert für Gemeinschaftskunde und Wirtschaft auch mehr Stunden an den Gymnasien. Dort stehen von Klasse sieben bis zehn für die zwei Fächer dann insgesamt sieben Jahreswochenstunden zur Verfügung, an den Werkrealschulen, Realschulen und Gemeinschaftsschulen sind es zehn.

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) wies die Kritik zurück. Bei der Einführung des neuen Fachs stünden die Interessen der Schüler im Mittelpunkt. „Wir haben von Beginn an großen Wert darauf gelegt, die Inhalte ausgewogen und multiperspektivisch zu gestalten“, sagte er. Die Befürchtungen seien unbegründet und würden auch den Lehrern nicht gerecht. „Sie sind für eine neutrale und ausgewogene Gestaltung des Unterrichts und für die Verwendung von geeignetem Unterrichtsmaterial verantwortlich.“ Auch Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer und Südwestmetall verteidigten Wirtschaft als eigenständiges Fach.

Nach Angaben des Kultusministeriums ist das Interesse an den neuen Bildungsplänen groß. Etwa 5000 Nutzer hätten sich seit Montag auf den Seiten umgesehen, 33 Personen gaben bereits Stellungnahmen ab – vor allem zum geplanten Fächerverbund Biologie, Naturphänomene und Bildung und zum Thema Akzeptanz und Toleranz von Vielfalt.