Karl Ulrich Nuss hat nach wie vor Spaß daran, neue Skulpturen zu machen. Foto: Gottfried Stoppel

Der Bildhauer Karl Ulrich Nuss feiert an diesem Mittwoch den 75. Geburtstag. Uneitel blickt Weinstadts Ehrenbürger auf ein ereignisreiches Künstlerleben zurück – und (er)schafft weiter, zum Beispiel kuriose Mischwesen wie die „Schlechse“.

Weinstadt - Man kennt sie einfach, seine Bronzefiguren mit den nur allzu menschlichen Zügen. Da ist der Mann mit dem „Wohlstandsbäuchle“ und die Frau, an der die Schwerkraft ihre Wirkung zeigt. Karl Ulrich Nuss brauchte nie Modelle für seine Plastiken, erzählt er – es gebe nur zahlreiche Doppelgänger seiner Werke überall im öffentlichen Raum. Es wirkt wie ein Spaziergang durch sein Künstlerleben, wenn er durch seinen Garten im Weinstädter Teilort Strümpfelbach flaniert, vorbei an lebensgroßen, unbekleideten Damen, Herren und Tieren.

„Jetzt glotzed Se net emmer die alde Denger a“, fordert er Besucher auf: noch sei er recht produktiv und gerade dabei, eine ganz neue Reihe von Skulpturen, sogenannte Mischwesen, zu erschaffen. In seinem Atelier mit Blick auf die Strümpfelbacher Weinberge kreiert der Künstler nicht nur Wesen, die optisch halb Mensch, halb Tier sind, sondern gibt seinen neu geformten Wesen auch gleich auffallende Namen. Er habe eine „Schlechse“ geschaffen, erzählt er mit einem Schmunzeln. Das sei eine, wie er finde, gelungene Kombination aus einer Echse und einer Schlange und mal etwas Neues, stellt er fest. Schließlich könne man auch als alter Mann noch etwas Neues machen, sagt Nuss, der an diesem Mittwoch seinen 75. Geburtstag feiert.

Überraschender Erfolg in jungen Jahren

Zu Beginn seiner Künstlerlaufbahn habe er für solche Experimente kaum Zeit gehabt. Auftragsarbeiten von Kommunen oder Privatpersonen seien sein tägliches Brot gewesen. Begonnen habe alles mit der Teilnahme an einem Wettbewerb, den die Stadt Hameln ausgeschrieben hatte, erzählt Nuss. Für ihn als jungen Künstler völlig überraschend, habe er den Zuschlag für dieses große Projekt bekommen. Dabei ging es um die Gestaltung einer lebensgroßen Skulptur für den Platz vor dem Hamelner Rathaus. So richtig dran geglaubt habe er damals nicht. Und eigentlich wollte er sein Studium in Berlin als Meisterschüler von Bildhauer Bernhard Heiliger auch noch einige Semester weiterführen. Doch so einen Auftrag lehnt man eben nicht ab. Und tatsächlich sollte die lebensgroße Skulptur, die aus elf Menschen besteht, das bislang größte Werk des Weinstädter Künstlers bleiben.

In Berlin wäre der junge Uller Nuss, wie er in seinem Heimatort genannt wird, gerne noch eine Weile geblieben. Er sei einige Male in der damals geteilten Stadt umgezogen, erzählt er mit dem Schalk eines jungen Schwaben im Nacken, schließlich wollte er in den Semesterferien keine Zimmermiete bezahlen: „Des wär doch nausgschmissens Geld gwä.“ Also kündigte er immer zum Ende des Semesters sein möbliertes Zimmer und suchte sich zu Beginn des nächsten eine neue Bleibe.

Mit Sturmfrisur auf dem Titel des Tagesspiegels

Einmal stellte ihm allerdings seine Zimmerwirtin den Stuhl vor die Tür. Damals drängten seine Kommilitonen den eher unpolitischen Karl Ulrich, sie zu einer Demonstration zu begleiten. Widerwillig ging er schließlich mit auf die Straße und wurde ob seiner wilden Haarpracht prompt als typischer Achtundsechziger-Student fotografiert. Als das Bild am nächsten Tag auf dem Titel des Tagesspiegels prangte, warf ihn die Vermieterin hinaus – mit den Worten, sie wolle mit derlei aufrührerischem Gesindel nichts zu tun haben.

Zurück im beschaulichen Remstal, arbeitete Karl Ulrich Nuss im Atelier seines Vaters Fritz, der ebenfalls Bildhauer war, und schuf ein Original nach dem nächsten. Die meisten seiner Werke habe er für sich gemacht, erzählt der Jubilar beim Gang durch sein Haus. Viele davon stehen hier, verteilt in jedem Winkel, in jeder Nische. Weil er immer wieder nach ihrer Anzahl gefragt wurde, habe er sie einmal gezählt und bei etwa 1600 aufgehört. Stolz sei er darauf allerdings nicht, betont das Weinstädter Original mit erhobenem Finger. Jeder Mensch habe eine Begabung und es sei an jedem einzelnen, daraus etwas zu machen.

Er habe viel gemacht in seinem Leben und dafür sei er dankbar, sagt Nuss. Nicht alles sei allerdings Kunst gewesen, auch er könne nicht den ganzen Tag Kunst „scheißen“. So habe er in den letzten Jahren seine Eltern gepflegt, die beide 92 Jahre alt geworden seien, und sich um Haus und Garten gekümmert. Er sei glücklich, dass er jeden Tag wann er wolle in seine Werkstatt gehen könne, um an seinen Werken zu arbeiten. Das wolle er noch lange tun. Im April soll es eine Ausstellung seiner neu kreierten Mischwesen in Weinstadt geben. Karl Ulrich Nuss macht einfach weiter und sagt: „So isch d´r Schwob halt.“