Die Sirgensteinhöhle bei Blaubeuren ist eine der sechs Eiszeithöhlen, die jetzt zum Welterbe gehören. Foto: Günther Bayerl

Der Ulmer Fotograf Günther Bayerl hat alle 42 Welterbestätten Deutschlands besucht und einen großen Bildband gemacht. Die Höhlen seiner Heimat, in denen die ältesten Kunstwerke der Menschheit gefunden wurden, beeindrucken ihn nachhaltig.

Neu-Ulm - Es ist sicher eine der schönsten Arten, Deutschland und seine Geschichte kennenzulernen: Über zwei Jahre hinweg ist Günther Bayerl kreuz und quer durch das Land gefahren, um alle Welterbestätten zu fotografieren.

Herr Bayerl, 39 Kulturerbe- und drei Naturerbestätten gibt es derzeit in Deutschland. Welche hat Sie am meisten beeindruckt?
Es ist sehr schwer, einen Favoriten herauszupicken. Aber einige haben mir tatsächlich besonders gut gefallen. Dazu gehört der Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel. Es ist verrückt, was die Landgrafen und Kurfürsten von Hessen-Kassel dort von 1696 an haben bauen lassen. Die Wasserspiele funktionieren alle ohne Pumpen, selbst die 50 Meter hohe Wasserfontäne. Sehr spannend finde ich auch das Gartenreich in Dessau-Wörlitz – es ist der erste Landschaftsgarten Kontinentaleuropas, der nach aufklärerischen Ideen von 1765 an entstand. Der Park war damals schon für die Öffentlichkeit zugänglich. Auch die zwei Industriedenkmäler – die Zeche Zollverein in Essen und die Völklinger Hütte im Saarland – sind überaus interessant. Früher muss es die Hölle gewesen, dort in der Kokserei zu arbeiten. Heute sind es vielfältige und lebendige Orte der Kultur geworden.
Jetzt haben Sie aber gar kein Weltkulturerbe aus Baden-Württemberg genannt.
Kein Sorge, darauf wäre ich gleich noch gekommen. Von unserem neuesten Weltkulturerbe, den sechs Eiszeithöhlen im Ach- und Lonetal, bin ich nämlich ein großer Fan und habe mich damit auch als Fotograf schon ausgiebig beschäftigt. Für den Laien ist es aber ein schwieriges Welterbe, weil man vor Ort wenig sieht. Man muss sich in das Thema einarbeiten, um die große Bedeutung der Höhlen zu begreifen.
Wie sind Sie dieses Mammutprojekt logistisch angegangen?
Das war tatsächlich eine kleine Meisterleistung. Denn ich musste meine sonstigen Aufträge aus der Industrie bedienen, und vor allem musste ich für fast alle Stätten eine Genehmigung einholen und Termine vereinbaren – man kann nicht einfach reinspazieren und die Kamera zücken. Diese Organisation habe ich völlig unterschätzt. Also musste ich auch zu einem bestimmten Zeitpunkt kommen, egal, wie das Wetter und das Licht waren. Ich habe versucht, mir immer zwei Wochen freizuschaufeln und habe in dieser Zeit fünf bis acht Welterbestätten fotografiert. Für ein kleineres Weltkulturerbe wie den Aachener Dom reichte oft ein einziger Tag. Ich bin am Nachmittag angekommen und habe das Gebäude im Abendlicht von außen fotografiert. Dann habe ich in der Stadt übernachtet, bin zum schönen Morgenlicht nochmals hin, und zur Mittagszeit habe ich die Innenaufnahmen gemacht. Und schon ging es weiter zum nächsten Ort. Bei räumlich großen Stätten wie dem Wattenmeer, das sich über drei Bundesländer hinweg erstreckt, braucht man natürlich viel mehr Zeit.
Das hört sich nach einem Kraftakt an.
Das Naturerbe der alten Buchenwälder beispielsweise ist sehr stark verteilt über Deutschland, von Rügen bis Hessen. Insgesamt waren es also nicht 42 Orte, sondern weit mehr als 50, die ich angefahren bin. Und die Sache mit den Genehmigungen war schon ein Wermutstropfen. Manche Welterbestätten waren auch nicht sehr kooperativ – viele wollten mir Bilder aus ihrem Fundus anbieten und haben gar nicht verstanden, dass ein Bildband mit einer einzigen Bildsprache entstehen soll. Das hat viel Verhandlungsgeschick benötigt und viele Nerven gekostet.
Diese Bildsprache haben Sie tatsächlich gefunden – die verwischten Wolken, die spiegelglatten Seen und das unwirkliche Licht sind mittlerweile Markenzeichen von Ihnen.
Es freut mich, wenn man meine Fotos wiedererkennt. Jeder Fotograf versucht, sich mit einer eigenen Bildsprache aus der Masse herauszuschälen. Ich finde, in diesem Bildband ist das gelungen.
Wie viel Zeit haben Sie investiert?
Ich war ungefähr 140 Tage unterwegs und habe sicherlich nochmals 80 Tage am Rechner verbracht. Trotzdem habe ich es nie bereut, dieses Projekt angegangen zu sein. Ich habe sehr viel erlebt, konnte ein tolles Vorhaben verwirklichen – und der Bildband erhöht auch mein Prestige als Fotograf.
Trotz vielleicht so mancher Panne?
Angesichts der knappen Zeit hat eigentlich alles gut geklappt. Nur in der Lutherstadt Eisleben bin ich nervös geworden. Als ich im vergangenen Jahr auf dem Marktplatz ankam, fehlte das Lutherdenkmal – es stand nur der Sockel da. Es würde gerade für das Reformationsjubiläum saniert, hieß es. Also bin ich in die Kirche, doch die historische Kanzel wurde gerade eingepackt, um sie zu einer Ausstellung nach Amerika zu schicken. Da war es schwierig, gute Fotos zu machen. Aber es gab zum Glück noch die St. Petri-Pauli-Kirche, in der Luther getauft wurde, und das Geburtshaus. Und zu diesem Weltkulturerbe gehört ja noch die Stadt Wittenberg – und dort gab es keine Baugerüste, und es fehlten keine Statuen.

Der Fotograf
Günther Bayerl ist 1983 in Aalen geboren und studierte Digitale Medien in Ulm. Mittlerweile lebt er einen Steinwurf von der Landesgrenze entfernt in Neu-Ulm. Für Unternehmen und Magazine reist er rund um die Welt, derzeit ist er privat in Chile unterwegs. Die deutsche Heimat war für ihn lange nicht interessant. Doch mit seinem beeindruckenden Buch über die Schwäbische Alb vor zwei Jahren und mit dem jetzigen Band über das Weltkulturerbe hat er seine Meinung geändert – und ist mittlerweile sogar stolz auf die reichhaltige Geschichte Deutschlands.

Das Buch
Günther Bayerl und Florian Heine: Welterbe. Deutschlands lebendige Vergangenheit. Frederking & Thaler Verlag München, 320 Seiten mit rund 200 Abbildungen, Hardcover mit Leineneinband, Preis 98 Euro.