Die Deutsche Bahn versucht, mehr Menschen zum Zugfahren zu bewegen. Foto: dpa

Die Züge sind oft voll, der Umsatz wächst. Doch der Gewinn schrumpft bei der Deutschen Bahn und die Qualitätsprobleme halten an.

Berlin - Die beste Nachricht stellte Bahnchef Richard Lutz gleich an den Anfang seiner Vorstellung der Bilanzzahlen. Der staatliche Schienenriese sei „auf gutem Weg“ zum Ziel 2030: Dann sollen erstmals mehr als 200 Millionen Reisende pro Jahr den Fernverkehr der Deutschen Bahn AG nutzen. Die Bundesregierung strebt laut Koalitionsvertrag sogar eine Verdoppelung der Zahlen an. Tatsache ist: Bahnfahren wird immer beliebter. Zum fünften Mal in Folge sollen dieses Jahr die Fahrgastzahlen in den ICE- und Intercity-Zügen auf mehr als 150 Millionen steigen. Auch 2018 kann sich Lutz über einen neuen Spitzenwert freuen. Rund 148 Millionen Menschen fuhren mit den weiß-roten Schienenflitzern, das sind 5,7 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Und mehr als zehn Millionen Kunden pro Monat nutzen bereits die Buchungs-App DB Navigator.

Die Bahn tut mehr denn je, um noch mehr Reisende zum Umsteigen zu bewegen. Hunderte neue Züge sind bestellt, die Flotte wird modernisiert und mit W-Lan ausgerüstet; allein die Digitalisierung soll die Kapazität im vielerorts überlasteten Schienennetz um ein Fünftel erhöhen. 2019 sind zudem 24 000 Neueinstellungen geplant. Lutz bittet jedoch um Geduld und Nachsicht: Im komplexen Rad-Schiene-System können man nicht einfach nur einen Hebel umlegen und schon sei alles besser.

Europaweit fuhren 2,6 Milliarden Menschen mit DB-Zügen

„Bahnfahren ist aktiver Klimaschutz“, wirbt der Bahnchef für den Umweltschutz. Im ICE seien die Reisenden bereits klimaneutral unterwegs, davon könnten „andere nur träumen“. Europaweit fuhren 2,6 Milliarden Menschen mit DB-Zügen, hier sind der Regionalverkehr und die Angebote der Auslandstochter Arriva eingerechnet. Deren Verkauf ist beschlossen und soll bis zum Jahresende abgeschlossen werden, wie Finanzvorstand Alexander Doll bestätigte. Mit den erhofften Milliardeneinnahmen soll das Investitionsprogramm mitfinanziert werden, mit dem viele Qualitätsprobleme beseitigt werden könnten.

Dazu gehören die massiven Engpässe bei Infrastruktur und Fahrzeugen und der gewaltige Nachholbedarf, der sich bei der Modernisierung auch beim Güterverkehr aufgestaut hat. „Der Erfolg der Schiene bringt Nebenwirkungen in Form von Wachstumsschmerzen“, räumte Lutz ein. Mit seiner „Agenda für eine bessere Bahn“ und einem Fünf-Punkte-Sofortprogramm will der Konzernchef die Wende schaffen und damit auch seinen eigenen Job sichern. Denn Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der wegen der fehlenden Verkehrswende selbst in der Kritik steht, verlangt rasche Fortschritte. Allerdings will die Regierung dafür bei weitem nicht so viel Geld bereitstellen, wie Experten für Ausbau und Modernisierung der lange vernachlässigten Infrastruktur für nötig halten.

Bahnvorstand Ronald Pofalla weist Kritik zurück

Der Bahnvorstand und frühere Leiter des Bundeskanzleramts, Ronald Pofalla, sieht dennoch keinen Anlass zu übertriebener Kritik. Die Koalition habe eine Milliarde Euro pro Jahr mehr für das Schienennetz im Kabinett beschlossen, hinzu kämen die zugesagten Mittel für die Digitalisierung und den Zusatzbedarf. Man verhandle aber weiter. Bisher erhält der Konzern allein für den Erhalt des 34 000 Kilometer langen Gleisnetzes mehr als vier Milliarden Euro pro Jahr.

Die Kritik des Bundesrechnungshofs, wonach die Milliardenzuschüsse fürs Schienennetz nicht effizient genug eingesetzt und kontrolliert werden, wies Pofalla scharf zurück. Zahlreiche Ergebnisse des Sonderberichts seien „falsch“. So werde es die Bahn schaffen, bis Ende 2019 mehr als die zugesagten 875 Brücken zu sanieren. Die Gespräche mit der Regierung über die geforderte verschärfte Kontrolle der Verwendung der Steuermilliarden und des Netzzustands würden „in den nächsten Wochen“ beginnen.

Die prekäre Finanzlage der Bahn droht das Rekord-Investitionsprogramm von mehr als zwölf Milliarden Euro für 2019 aber weiter zu gefährden. Mehr als 4,5 Milliarden will der Konzern selbst finanzieren, der Rest kommt vom Staat. Dem bundeseigenen Konzern fehlen für seine Agenda bis 2023 aber bis zu fünf Milliarden Euro und allein bis zu 2,5 Milliarden in diesem Jahr. Der um 29 Prozent auf nur noch 542 Millionen Euro gesunkene Jahresüberschuss reicht nicht einmal, um dem Bund damit die zugesagte Dividende von 650 Millionen Euro zu bezahlen, die ohnehin für Investitionen zurückfließen wird.