Wegen der Zugverspätungen in Baden-Württemberg hat es massive Proteste gegeben. Foto: dpa

Die Zugausfälle im Südwesten sind halbiert worden, die Bahn wird im Nahverkehr pünktlicher. Das ist die Bilanz von Land und DB Regio nach einem halben Jahr des Krisenmanagements.

Stuttgart - Wegen der massiven Proteste über Zugverspätungen und Zugausfälle in Baden-Württemberg hatte das Verkehrsministerium in Stuttgart vor einem halben Jahr wöchentliche Rapporte von der DB Regio Baden-Württemberg verlangt. Am Montag nun zogen Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sowie DB-Regio-Chef David Weltzien eine durchaus positive Bilanz, die ein Bündel von 75 Maßnahmen gebracht haben soll: Die Pünktlichkeit habe sich in den letzten Wochen auf rund 94 Prozent verbessert und damit Vertragsniveau erreicht, die Zugausfälle seien halbiert worden auf jetzt nur noch 0,5 Prozent. Konkret in Zahlen: Von 800 000 wöchentlich geleisteten Zugkilometern fallen 4000 aus.

Mit dem Beginn der sogenannten Übergangsverträge zwischen Bahn und Land im Oktober 2016 hatte die „Misere“ auf den Bahnhöfen begonnen, berichtete Minister Hermann. „Als Besteller der Nahverkehrszüge konnten wir dem nicht tatenlos zusehen.“ Mit der Bahn wurde ein Krisenmanagement vereinbart. Eine der Hauptursachen für die Verspätungen und Ausfälle seien „Mängel an Fahrzeugen“ sowie „technische Probleme“ gewesen, sagte Hermann. Dass die Bahn im Herbst 200 Fahrzeuge austauschen musste, wurde als „ungewöhnlich schwierig“ empfunden, zum Teil waren Lokomotiven und Waggons nicht kompatibel. Das zweite große Problem sei der hohe Krankenstand gewesen: „Ich weiß gar nicht, wie viele Grippewellen es im Land gibt und wie viele bei der Bahn“, sagte Hermann. Das Land hat als Vertragspartner der Bahn wegen der Zugausfälle „Strafzahlungen“ in einstelliger Millionenhöhe erhalten.

Das Land zahlt für 30 Zugbegleiter

Diese wurden in die Bahn reinvestiert: Bezahlt werden 30 Zugbegleiter, die auf Bahnsteigen für ein schnelles Ein- und Aussteigen sorgen, außerdem werden Regelungen beim Fahrzeugaustausch gelockert und die eine oder andere Weiche auf eigene Kosten repariert. Für zwei Monate wurde der Qualitätsbeauftragte Gerhard Schnaitmann eingestellt, der tagtäglich die Pünktlichkeit persönlich in Augenschein nahm.

„Baden-Württemberg steht jetzt nicht schlechter da als der Rest der Republik“, meinte Minister Hermann. Es habe Verbesserungen, aber auch wieder Rückschläge gegeben. „Problemstrecken“ seien nach wie vor die Filstalbahn, die Frankenbahn, die Remsbahn und die Bodensee-Gürtel-Bahn.

„Wir danken dem Land für die 30 Zugbegleiter“, sagte Regio-Chef Weltzien. Gemeinsam mit dem Land habe man den „negativen Trend“ gedreht. Zu den vielen Maßnahmen gehören 20 neue Loks der Baureihe 147, ein Reservezug mit 600 Sitzplätzen in Stuttgart, Springerpools für die Lokführer und die Werkstätten der Bahn. Und – was großen Anklang bei den Lokführern findet – mobile Reparaturteams, sogenannte Flying Doctors, die zum Beispiel Türschäden rasch reparieren, ohne dass der Lokführer „vom Bock muss“. Viel bringen soll laut Weltzien eine Fahrplananpassung gerade für die Filstalbahn, die ab 2. Mai am frühen Morgen fünf bis zwölf Minuten früher losfährt, damit ein Zeitpuffer entsteht. Weltzien äußerte sich verärgert über die Zerstörung von Waggons am Sonntag durch Fans des Karlsruher SC: „Ich weiß nicht, ob wir uns das so bieten lassen sollten.“ Durch Fußballrowdys entstünden der Bahn jährlich Schäden in Höhe von zwei Millionen Euro.

Man müsse die Bahn „nerven“, sagt der Qualitätsbeauftragte

Einen Einblick in den Bahnalltag gab der Qualitätsbeauftragte Schnaitmann, der sich jeden Morgen zwischen 4 und 5 Uhr auf die Achse machte, gelegentlich im Führerstand mitfuhr und den kurzen Draht zu DB-Regio- Verantwortlichen hatte, um am Telefon zu mahnen: „Ich sehe keine Ersatzmaßnahmen!“ Nur mit „nerven, nerven, nerven“ sei er weitergekommen, sagte Schnaitmann, der seinen Dienst zu Ostern wieder einstellt. Der Experte verwies auf die Baustellen auf vielen Strecken, die nach dem Winter wieder eröffnet wurden. Auf der Gäubahn und der Frankenbahn werden sie wohl noch für Störungen sorgen. Und er erklärte den hohen Krankenstand der Bahner: „Wenn Menschen unter ständigem Druck arbeiten und noch mit technischen Mängeln zu tun haben, erhöht sich der Krankenstand.“ Im Januar mit seinen eisigen Temperaturen seien die „harten Arbeitsbedingungen“ bei der Bahn nochmals deutlich geworden.