Ein Sommer zum Genießen neigt sich dem Ende entgegen. Foto: dpa

Alle reden über ihn, jetzt spricht er selbst: zum Ende der Jahreszeit ein frei erfundenes Gespräch über den Sommer. Er spricht über Kränkungen, Burnout am Arbeitsplatz und den Herbst, dem man alles durchgehen lässt.

Stuttgart - Hitze, Dürre und Sonne nonstop: Die vergangenen Monate waren außergewöhnlich. Verantwortlich war der deutsche Sommer, den immer alle unterschätzt haben. Kurz vor dem Herbst packt der Sommer in einem fiktiven Bilanzgespräch aus. Er spricht über Kränkungen, Burnout am Arbeitsplatz und fragwürdige Flanelljacken.

Wie geht es Ihnen? Sie sehen ja ganz schön fertig aus.

Was glauben Sie denn, wie sich jemand fühlt, der sich monatelang abrackert, ein Hoch nach dem anderen ins Land karrt und für Affenhitze, gesteigerte Lebensfreude, Totalausverkäufe bei Standventilatoren sowie Rekordumsätze bei Bier- und Eisverkäufern gesorgt hat – und das ganz ohne Hitzefrei und Schwüle-Nacht-Zuschläge?

Ausgebrannt?

Das kann man wohl sagen. Andererseits erfüllt es mich mit großer Genugtuung, dass ich als deutscher Sommer endlich aus dem Schatten meiner italienischen, spanischen und griechischen Kollegen treten konnte. Diese Angeber.

Bitte keine Fremdenfeindlichkeit!

Millionen von Kritikern war ich immer zu feucht, den anderen zu wechselhaft. Jahrzehntelang hatte ich in ganz Europa einen dermaßen miesen Ruf – wie eine Wollsocke in einer Herrensandale. Ich fühlte mich ständig unter Druck gesetzt. Andauernd musste ich liefern. Außerdem ist der Konkurrenzkampf unter den Jahreszeiten gnadenlos. Dem Frühling oder dem Herbst lassen die Leute alles durchgehen, aber wehe an meinem Himmel zeigt sich ein einziges Blumenkohl-Wölkchen!

Jetzt übertreiben Sie.

Ach ja? Heinrich Heine lästerte einst über mich, ich sei lediglich „ein grün angestrichener Winter“. Im deutschen Sommer müsse sogar die Sonne eine Flanelljacke tragen, wenn sie sich nicht erkälten wolle. Noch demütigender war nur dieser holländische Fernsehmoderator, der mich mit einem Schlager verhöhnte. „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“ Geht’s noch?

Regen Sie sich nicht auf. Das Lied war ein Hit. Sie sind ja schon ganz durchgeschwitzt.

Ausgerechnet so ein Holländer im Cordanzug. Der kennt den Sommer doch nur von der Betriebsanleitung seines Wohnanhängers.

Lassen wir Rudi Carrell seinen himmlischen Frieden. Und überhaupt: Was war denn in diesem Jahr so außergewöhnlich?

Meine Höchsttemperatur: 39,5 Grad in Bernburg an der Saale. Meine Durchschnittstemperatur: 19,3 Grad und damit drei Grad wärmer als üblich. Dazu gab es halb so viel Regen wie sonst. In manchen Regionen Deutschlands hat es insgesamt weniger getröpfelt als ein Chihuahua, der abends an einer Straßenlaterne noch sein Beinchen hebt.

Der Erfolg scheint Ihnen zu Kopf gestiegen zu sein. Aber seien wir mal ehrlich: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.

Genau das meine ich: Die wetterfühligen Deutschen sind echte Bruddler. Können ein Hoch kaum von einem Tiefdruckgebiet unterscheiden, träumen nachts von Wetterfröschen oder Claudia Kleinert und wollen immer mitreden. Wetter ist ja sooo simpel. Von wegen! Ich, nur ich ganz allein, habe es geschafft, dass der Juli 2018 als einer der heißesten in die deutsche Wettergeschichte eingegangen ist und man in der Ostsee beinahe Nudeln kochen konnte.

Vielleicht profitieren Sie lediglich vom Klimawandel? Vielleicht sind Sie ja gar kein echter Sommer?!

Klar, das fehlte ja noch. Wissen Sie was? Wenn Sie nächstes Jahr in Ihrem Sylter Strandkorb im August bei Nieselregen und 18 Grad ihre Flanelljacke überziehen, werden Sie mich vermissen. Und wie. Aber dann stehe ich für ein Interview nicht mehr zur Verfügung. Einen schönen Restsommertag noch!