Bei seiner ersten Vorstellung im Jahr 1946 sorgte der Bikini für einen handfesten Skandal. Jetzt ist das Badekleid ein Fall fürs Museum. In einem neuen Privatbau bei Bad Rappenau geht es um Bademode, Badekultur, Feminismus und Sexismus.
Bad Rappenau - Der Bikini sei schön bunt gewesen und mit muschelförmigen Mustern besetzt. In den 70er Jahren habe sie sich das gute Stück selbst gehäkelt, erinnert sich Heidi Dürrschmidt. Klar, zum Schwimmen habe sich der Zweiteiler nicht so gut geeignet, „aber ich habe ihn gerne getragen“, sagt die 70-Jährige. Und im Kreise ihrer Kolleginnen von der Gymnastikgruppe des Sportvereins aus dem Heilbronner Ortsteil Biberach kann sie mit der Erzählung von dieser kleinen Handarbeits-Heldentat an diesem Tag allemal Eindruck schinden.
Die sportlichen Damen sind die ersten, die das neue Bikini-Art-Museum, gelegen auf dem Autohof Bad Rappenau direkt an der A 6, in einer Preview begutachten dürfen. Die offizielle Eröffnung folgt am Sonntag. 2000 Quadratmeter misst die Schau, mit der sich der Regensburger Unternehmer Alexander Ruscheinsky, Entwickler von Spezialimmobilien und Eigentümer von deutschlandweit 13 Autohöfen, einen kleinen, aber kostspieligen Traum erfüllt. Für ein bisschen Stoff scheint das viel Platz zu sein. Doch Ruscheinsky ließ die Macher das Thema umfassend aufarbeiten. „Es gibt keine Standardwerke zum Bikini. Wir haben vieles selbst erforscht“, sagt der Museumsdirektor Reinhold Weinmann. Mit dem weltweit ersten Museum für Bademode und Badekultur wolle man nun zum zentralen Archiv der Bikini-Geschichte werden.
Mehr Bikinis als der Louvre
Zumindest in Teilen ist das schon gelungen. Von den 16 weltweit noch vorhandenen maßgeschneiderten Modellen des Bikini-Erfinders Louis Réard seien zwölf jetzt in Bad Rappenau zu sehen, sagt Weinmann stolz. Der Louvre hat die Mona Lisa, aber er hat nur einen Réard-Bikini.
Offiziell beginnt die Bikini-Geschichte mit dem Jahr 1946, als Réard, eigentlich ein Maschinenbauingenieur, in Paris das skandalös knappe Kleidungsstück erstmals vorstellte. Für seinen Zweiteiler wählte Réard einen hoch explosiven Namen, der damals offenbar nicht als zynisch empfunden wurde. Dabei gehört die Geschichte der Zerstörung des Bikini-Atolls zu den dunkelsten Kapiteln der US-Geschichte. In Dutzenden Atomtest in den 40er und 50er Jahren wurden die traumhaften Inseln im Pazifik auf Jahrtausende unbewohnbar gemacht.
Sexismus oder Befreiung?
Réards Erfindung schlug derweil tatsächlich ein wie eine Bombe. „Der Bikini ist so klein, dass er alles über die Trägerin enthüllt bis auf den Geburtsnamen ihrer Mutter“, witzelte der Schöpfer damals bewusst provokant. Das klingt nach altväterlichem Sexismus. Doch die Wahrheit ist, dass keine 70 Jahre zuvor die Badebekleidung für die Frau so lang, dicht und schwer gewesen war, dass die ernste Gefahr bestand, dass der Geburtsname der Badenden bald schon auf einen Grabstein gemeißelt werden musste.
Steht der Bikini also gar nicht so sehr für Sexismus als vielmehr für eine Befreiung der Frau? Darüber möchten die Ausstellungsmacher mit den Besuchern ins Gespräch kommen. Aus ihrer Sicht lasse sich die Frage nicht so pauschal beantworten, sagt die Regensburger Kulturwissenschaftlerin Alexandra Regiert, die diesen Komplex im Rahmen der Ausstellung aufgearbeitet hat. Es gebe durchaus Anhaltspunkte, dass die Badekleidung als Indikator der Selbstbestimmung von Frauen gesehen werden könne. So ist noch aus dem 19. Jahrhundert bekannt, dass an deutschen Stränden die Rocklänge der Badewilligen peinlichst vermessen wurde. Wer die Mindestgröße unterschritt, musste mit seiner Verhaftung rechnen. Es herrschten Zustände wie in Saudi Arabien.
Eine Kollektion auf dem Speicher
In den 50er Jahren blieb Réards Erfindung zunächst Stilikonen wie Marilyn Monroe oder Brigitte Bardot vorbehalten, eher sie sich auch bei der breiten Masse durchsetzte. Firmen aus Bad Rappenau hatten daran ihren Anteil. In der Stadt wurde nicht nur 1936 Deutschlands erstes Sole- und Wellenbad eröffnet. Der Hersteller Felina, heute in Mannheim beheimatet, blickt ebenfalls auf Anfänge in Bad Rappenau zurück, wo das Unternehmen einst als Eugen-Herbst-Korsettfabrik gegründet wurde. Bis zum Konkurs im Jahr 1983 residierte auch der Bademodenhersteller Benger Ribana in der Stadt.
Eine Benger-Kollektion hat es daher auch ins Museum geschafft. Die Kartons waren vor kurzem auf dem Speicher des Stadtarchivs aufgetaucht. Ob eine ehemalige Bürgermeistergattin sie sich gesichert hatte oder wie sie sonst dorthin gelangt waren, ist unklar. „Das müssen wir noch herausfinden“, sagt der Museumsdirektor Reinhold Weinmann.