Der sie störende Lärm kommt vom Tal herauf: Julia Roth auf dem Balkon ihrer Wohnung im Aurain in  Bietigheim Foto: factum/Granville

Wenn die Temperaturen steigen, zieht es feiernde Menschen an die frische Luft. In Bietigheim vor allem ins Ellental, was den Anwohnern dort inzwischen schlaflose Nächte bereitet.

Bietigheim-Bissingen - Jürgen Kessing, der Oberbürgermeister von Bietigheim-Bissingen, hat sicher schon nettere Briefe bekommen als den von Julia Roth. „Es ist eine gewisse Emotionalitätsstufe erreicht. Jetzt ist es Zeit, dass die Stadt einschreitet“, sagt sie. Julia Roth klagt in dem mit viel Sarkasmus gewürzten Brief über Lärm von Angetrunkenen und Menschen, die in den Nächten bewusst die Ruhe von Anwohnern störten. „Wir als Anrainer haben keine Rechte, Herr OB!“, heißt es in dem Schreiben weiter, als es um Rollerfahrer geht, die mit quietschenden Reifen Rennen im Ellental veranstalteten – und das auf Strecken, die eigentlich nur Fahrrädern oder Fußgängern vorbehalten sind. „Diese nächtlichen und frühmorgendlichen Störungen schränken unsere Lebensqualität sehr ein“, sagt Julia Roth.

Den Brief hatte Julia Roth schon im Mai verfasst, die Ruhestörungen sind seit Längerem ein Thema im Ellental. Abgeschickt hat sie ihn erst Anfang August, als zwei Ereignisse das Fass für sie zum Überlaufen brachten: einmal war es nach ihren Angaben die bis in die Morgenstunden laufende Musik bei einem Vereinsfest, ein anderes Mal habe ein wohl betrunkener Mann nachts um 3 Uhr angefangen, laut im Tal zu schreien, was sich durch die Kessellage an der Enz verstärkt habe. „Der wollte bewusst die Nachtruhe stören“, sagt Roth.

Polizeistreife fand den Ruhestörer nicht

Auch als ein Anwohner dann lautstark um Ruhe gebeten habe, habe der Mann weitergemacht. Eine gerufene Polizeistreife konnte den Ruhestörer nicht ausfindig machen. Immer wieder hat Julia Roth bei der Polizei Hilfe angefordert, das habe jedoch nicht gefruchtet. Sie verlangt jetzt von der Stadt, eine Sicherheitsstreife durch das Gebiet im Ellental zu schicken und auch Platzverweise zu erteilen. Gerade im Ellental an der Enz sei das besonders notwendig, denn hier kämen die Ruhestörer mit ihren Rollern aus Bissingen, der Bietigheimer Altstadt, aus Sachsenheim und vom Bahnhof zusammen. „Und notfalls gehen wir eben selbst runter und sorgen für Ruhe“, sagt Julia Roth. In dem Brief an Kessing schreibt sie, dass sie jetzt eine Bürgerwehr ins Leben rufen wolle.

Dort hält man die Idee einer Bürgerwehr für „überzogen“. Die nächtlichen Ruhestörungen im Ellental seien ein bekanntes „Sommerproblem par excellence“, sagt die Stadtsprecherin Anette Hochmuth. Dafür schicke die Stadt an den „neuralgischen Punkten entlang Enz, Metter und im Bürgergarten“ einen privaten Sicherheitsdienst auf Patrouille. Platzverweise könne das Ordnungsamt jedoch nur erteilen, wenn ein Ruhestörer auf frischer Tat von der Polizei ertappt werde.

„Eine Ruhestörung fällt hinter Unfällen zurück"

Das gestalte sich aber nicht so einfach, sagt die Polizeisprecherin Yvonne Schächtele. „Wenn wir ankommen, ist meist niemand mehr da.“ Dennoch sei es richtig, dass in ihrer Ruhe gestörte Bürger die Polizei riefen. Die zuständige Nachtstreife versuche dann, so schnell wie möglich an den Ort des Geschehens zu kommen. Aber die Anwohner müssten sich über eines im Klaren sein: „Eine Ruhestörung fällt hinter Unfällen oder Körperverletzungen zurück“, sagt Yvonne Schächtele.

Julia Roth wartet jetzt auf die Antwort der Stadt. Eines will sie klarstellen: „Ich möchte den jungen Leuten nicht ihre Treffpunkte wegnehmen, solange sie sich rücksichtsvoll verhalten.“ Auch werde sie nicht nachts „mit dem Baseballschläger“ an die Enz hinuntergehen. Sie hofft vielmehr auf eine sachliche Auseinandersetzung mit der Problematik. „Ich möchte alles, nur keinen Beef, wie man heute sagt.“