Gerade in angespannten Immobilienmärkten wie in der Landeshauptstadt interessieren sich oft mehrere Käufer für eine Immobilie. Foto: Mierendorf

Immobilien gegen Höchstgebot abzugeben, ist vor allem in angespannten Immobilienmärkten in Mode gekommen. Doch nicht immer führt ein Bieterverfahren auch zum gewünschten Erfolg.

Das Inserat auf dem Online-Portal klang vielversprechend: Einzimmerwohnung, 30 Quadratmeter, in Stuttgart-Nord, für 75 000 Euro zu verkaufen. Nach der Besichtigung kommt die Überraschung. Die Wohnung soll jetzt 86 000 Euro kosten. - In der Internetofferte wurde nämlich verschwiegen, das es sich bei dem Angebot um ein Bieterverfahren handelt. Der angegebene Preis war nur der Startpreis. Für Stephan Kippes, Professor für Immobilienmarketing an der HfWU Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen und Sprecher des Immobilienverbandes ivd Süd, hinterlassen solche Aktionen immer einen unschönen Eindruck.

Überstürzte Entscheidungen beim Kauf vermeiden

Aus seiner Sicht handelt es sich bei dem geschilderten Fall keinesfalls um ein Bieterverfahren im klassischen Sinn, wie es Makler anwenden. Vielmehr komme es angesichts der angespannten Märkte zu dem Phänomen, dass eine Reihe von Interessenten eine Immobilie erwerben wollen und der Eigentümer dies nutzen möchte, um den erzielbaren Preis zu maximieren. Kippes rät Immobilienkäufern dazu, trotz eines engen Marktes keine überstürzten Entscheidungen zu fällen. Ähnlich sieht das auch Robin Frank, Geschäftsführer Immobilienvermittlung BW für die BW-Bank. Allerdings komme es in der Praxis häufig vor, dass sich mehrere Käufer für ein Objekt interessierten, die dann auch teilweise bereit seien, mehr als den ausgewiesenen Angebotspreis zu bezahlen. 'Makler sind verpflichtet, dem Verkäufer alle übermittelten Kaufpreisangebote von Interessenten weiterzuleiten. Sogar dann, wenn sich der Verkäufer im Grunde bereits entschieden hat und nur noch der Notartermin aussteht', erklärt Frank.

Stephan Scheibe, Teamleiter Wohnimmobilien bei Dr. Lübke & Kelber in Stuttgart, hält das Bieterverfahren im klassischen privaten Bereich für kompetenzlos. 'Käufer wie Verkäufer einer Immobilie haben den Anspruch auf eine klare Preisorientierung.' Nur im Bereich von Investments oder Zinshäusern könne er sich das Bieterverfahren vorstellen, da hier die Objektangebote oft sehr unterschiedlich ausfielen. Aus Sicht von Alfred Hildebrandt von Hildebrandt Immobilien in Stuttgart-Degerloch ist in einem überhitzten Markt selbst für einen Fachmann der realistische Marktpreis manchmal nur schwer einzuschätzen. Er hat dafür Verständnis, dass Interessenten verärgert sind, wenn sie überboten werden. Vor allem dann, wenn das inserierte Objekt gar nicht als Bieterverfahren gekennzeichnet war. Andererseits werde oft nur durch ein Bieterverfahren ein realistischer Marktpreis erzielt. Auch Bauträger und Projektentwickler müssten sich zunehmend bei Ankäufen diesen Bieterverfahren stellen, so die Erfahrung von Alfred Hildebrandt.

Ehrlichste Form des Immobilienverkaufs

Ein Makler, der ganz bewusst auf das Bieterverfahren setzt, ist Wolfgang Link von Link Immobilien in Stuttgart-Sillenbuch. Er hat die Idee vor über 13 Jahren von einem USA-Besuch mitgebracht und ist überzeugt, dass ein sorgfältig durchgeführtes Bieterverfahren die ehrlichste Form des Immobilienverkaufs ist. Vor allem eigne es sich für Sonderfälle, wenn kein realistischer Angebotspreis festgelegt werden kann wie zum Beispiel bei Gebäuden mit einem hohen Sanierungsbedarf, nachteiliger Lage oder bei großen Baugrundstücken mit einem hohen Anteil unbebaubaren Gartenlandes. Bei diesen Bieterverfahren sollte aber tunlichst vermieden werden, seine Preiserwartung zu nennen. Der Interessent sollte sich bei diesen Objekten vollkommen ohne Beeinflussung eine Meinung zum Wert des Objektes bilden können. Allerdings macht Wolfgang Link auch eine Einschränkung. 'Das Bieterverfahren ist nur dort sinnvoll, wo über gängige Bewertungsverfahren kein realistischer Marktwert ermittelt werden kann.' Markus Lechler von Lechler Immobilien aus Stuttgart hat die Erfahrung gemacht, dass ein Bieterverfahren Kaufinteressenten eher verunsichert. 'Wer will schon bei der Versteigerung einer Immobilie mitmachen, ohne zu wissen, ob er sie denn auch bekommt.'

Bei Objekten, die man für sich selbst sucht, komme auch noch eine emotionale Komponente hinzu, glaubt Lechler. Oft würden Interessenten auch vor Bieterverfahren zurückschrecken, weil sie keinen konkreten Angebotspreis haben, auf dessen Basis sie finanziell planen können. Und ob der Verkäufer gerade durch das Bieterverfahren den bestmöglichen Preis erzielt? Markus Lechler hat da so seine Zweifel. Gerade professionelle Makler seien doch dafür zuständig, den richtigen Marktwert einer Immobilie zu bewerten. Erich Hildenbrandt, seit über 40 Jahren im Maklergeschäft, hält Verkäufe gegen Gebot oder im Bieterverfahren für unerfreulich. 'Als Makler sollte man in der Lage sein, den Verkaufswert einer Immobilie zu ermitteln. Und wenn dieses Verfahren eingesetzt wird, sollte es nur unter Profis zur Anwendung kommen. Sein Fazit: Angesichts der aktuellen Marktsituation im Mehrfamilienhaussektor sollten Käufer und Verkäufer erst recht nicht auf die Beratung eines Profis verzichten. Privaten Verkäufern rät Robin Frank von der BW-Bank ohnedies davon ab, durch viele Preisrunden zu hoffen, das Angebot nach oben treiben zu können. 'Am Ende springen womöglich alle Interessenten ab.'