Beim BXL Beerfest 22 können die Besucher die unterschiedlichsten Biersorten probieren. Manche Biere erinnern nicht nur geschmacklich an Champagner. Foto: Miguel Rivas/The Beer Trekker

In keinem anderen Land gibt es mehr Biersorten als in Belgien. Besonders bei Flaschenbieren macht den Belgiern weltweit niemand etwas vor.

Wer in Belgiens Bierwelt eintaucht, kann schnell den Überblick verlieren. Weit über 1500 Sorten stehen dem Kenner zur Auswahl, die den Gaumen von fruchtig-süß bis salzig-bitter in allen Nuancen kitzeln. „Ich würde natürlich nie sagen, dass die belgischen Biere die besten der Welt sind“, erklärt Kevin Desmet demonstrativ bescheiden, vermittelt allerdings mit seinem gönnerischen Lächeln den Eindruck, dass er tief in seinem Herzen vom Gegenteil überzeugt ist. „Wir haben hier schon sehr viele verdammt gute Flaschen auf dem Markt“, sagt der Mann, ein ausgewiesener Kenner der Szene und Mitveranstalter des BXL Beerfest 22, das an diesem Wochenende in Brüssel stattfindet.

Kevin Desmet betont sehr bewusst das große Angebot an Flaschenbieren, denn auf diesem besonderen Gebiet der Braukunst zählen die Belgier zu den unangefochtenen Weltmeistern. Anders als in Deutschland gären sehr viele der flüssigen Spezialitäten nicht in Fässern oder großen Metalltanks. Das Besondere an dieser Methode ist, dass die Biere in den Flaschen oft noch nachreifen und dann bei optimalen Lagerbedingungen von vier bis zehn Grad Celsius individuelle und ganz besondere Aromen entfalten.

Bier, das an Champagner erinnert

Um manchen Bieren auch äußerlich den Hauch des Originellen zu verleihen, erinnern die Behältnisse bisweilen an Champagnerflaschen, deren Exklusivität noch durch ein kunstvolles Etikett und eine edle Verpackung hervorgehoben wird. Bei einigen Sorten wird für die Vergärung sogar Champagnerhefe verwendet, und sie werden auch nach der Champagnermethode behandelt. So entsteht ein perlendes, trockenes Getränk, das auch im Preis mit dem begehrten Luxusprodukt aus Frankreich mithalten kann.

Ein weiterer Grund für die unglaubliche Geschmacksvielfalt ist, dass es – im Gegensatz zu Deutschland – in Belgien kein Reinheitsgebot gibt. „Traditionell werden die Biere mit allerlei Gewürzen wie Kardamom, Anis oder Süßholz gebraut“, erklärt Kevin Desmet. Zugesetzt werden aber auch Früchte wie Orangen, Kirschen oder Äpfel. „All das macht das Bier so besonders, dass es seit November 2016 zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco gehört“, unterstreicht er.

Hoher Alkoholgehalt hat historischen Hintergrund

Was den an deutsche Biere gewöhnten Genießer erstaunt, ist auch der sehr hohe Alkoholgehalt der belgischen Sorten. Um den Grund für diese Entwicklung zu finden, muss man in das Jahr 1919 zurückgehen, in dem von der Regierung das sogenannte Vandervelde-Gesetz erlassen wurde. Ähnlich wie in den USA herrschte damals auch in Belgien die Prohibition. Der Verkauf von Hochprozentigem mit über 18 Volumenprozent Alkohol wie Schnaps und Weinbrand in Cafés und Restaurants war verboten. Bier hingegen, das in der Regel um die fünf Volumenprozent Alkohol hat, durfte ausgeschenkt werden.

Die einfallsreichen Brauer begannen, stärkere Biere in den unterschiedlichsten Sorten zu entwickeln, und konnten auf diese Weise die Nachfrage nach höherprozentigem Alkohol befriedigen. Das Vandervelde-Gesetz wurde erst 1983 aufgehoben. Noch heute haben Brauereien Biere mit deutlich über zwölf Volumenprozent im Angebot.

Aber nicht nur um die Biere wird in Belgien ein ziemlicher Rummel veranstaltet. Kenner betonen, dass es natürlich auch wichtig ist, dass das Getränk auf die richtige Weise kredenzt wird. So hat fast jede Brauerei ihr eigenes Glas entwickelt. Auf dem Markt sind Kelche mit breiter Öffnung, kunstvoll geschwungene Tulpengläser oder schmale Pilsnergläser. Kenner versichern, dass durch die verschiedenen Formen der Geschmack und das Aroma der jeweiligen Biersorte optimal transportiert wird.

Beim Bierfest in Brüssel präsentieren rund 60 Brauereien ihre Spezialitäten. Kevin Desmet sagt dem Handwerk eine goldene Zukunft voraus. Die Menschen würden immer häufiger auf regionale Qualität achten. Vor zwanzig Jahren habe es in Brüssel nur noch zwei lokale Brauereien gegeben, erklärt der Bierkenner. Inzwischen seien es wieder fast zwei Dutzend, Tendenz steigend.

Vermischtes

Lambic
 Das ist ein spontan vergorenes Bier. Dabei wird der Bierwürze keine Hefe zugefügt, sondern die Tatsache genutzt, dass in der Umwelt überall wilde Hefe vorhanden ist. Der Braumeister wartet, bis sich Hefen aus der Luft spontan auf der Bierwürze absetzen und mit der Arbeit beginnen. Da diese Biere in der Regel sehr sauer sind, werden ihnen oft süße Früchte beigemischt.

Geuze
Das ist ein Verschnitt aus mehreren Lambic-Bieren. Die Kunst besteht darin, junge mit lange gereiften Lambics im perfekten Verhältnis zu mischen.

Witbier
Die belgischen Weiß- oder Weizenbiere unterscheiden sich deutlich von den deutschen Sorten. Typische Zutaten sind neben Weizenmalz auch Koriander und Orangenschalen. So erhält das Witbier einen würzigen und gleichzeitig fruchtigen Geschmack.

Tripel
Üblicherweise wird das Tripel mit Pilsener Malz gebraut, und es wird weißer Zucker hinzugegeben. Aufgrund der hohen Menge von Zucker kann die Hefe besser vergehen, so dass das Bier über einen höheren Alkoholanteil verfügt.