Historisch bestens bewandert: Felix Huby (re.) mit seinem Co-Autor Hartwin Gromes vor dem neuen Stuttgarter Stadtmuseum. Foto: Leif Piechowski

Er zählt zu den produktivsten und erfolgreichsten deutschen Drehbuch­autoren. In seinem aktuellen Roman erzählt Felix Huby mit Hartwin Gromes die Geschichte der Familie Kerner, deren Namen hierzulande viele vor allem mit Dichtung und Wein verbinden. Dabei hatten die Kerners viel mehr zu bieten.

Stuttgart - Kommissar-Bienzle-Erfinder Felix Huby erzählt im Interview, warum er beim Romanschreiben ganz gern Unterstützung hat.

Herr Huby, wann haben Sie das letzte Mal einen Kerner getrunken?
Das war in Weinsberg, während unserer Recherche für das Buch. Da sind wir, mein Co-Autor Hartwin Gromes und ich, in eine Wirtschaft eingekehrt.
Sie dachten, wenn man über die Kerners schreibt, muss man auch einen Kerner trinken.
Ja, und wenn man in Weinsberg ist, dann gehört sich das einfach. Wir waren aber auch dort, um das Kerner-Haus zu besichtigen. Die wunderschöne Ausstellung über Justinus Kerner ist wirklich sehenswert. Es lohnt sich, nach Weinsberg zu fahren, nicht nur des Weines wegen.
Der Untertitel Ihres Buchs „Die Kerners“ lautet „Eine Familiengeschichte“. Es geht nicht nur um den Dichter Justinus Kerner, sondern auch um dessen Brüder Karl und Johann Georg.
Ursprünglich sollte der Titel „Justinus und seine Brüder“ heißen, dann haben wir aber festgestellt, dass Justinus gar nicht der wichtigste ist, sondern nur der bekannteste. Für mich war das neu, ich hatte nur schemenhafte Vorstellungen. Es gibt kaum eine Familie aus dem Schwäbischen, an der man die Zeit um die Französische Revolution so gut schildern kann. Im Wesentlichen hat mein Co-Autor Hartwin Gromes das alles recherchiert. Ich habe die Fakten von ihm so nach und nach auf den Tisch bekommen. Je länger wir uns damit beschäftigt haben, umso spannender ist es für uns geworden.
Das heißt, es gab eine klare Arbeitsteilung?
Ich bin sicher der, der etwas mehr geschrieben hat, als wir zusammensaßen. Aber eine klare Arbeitsteilung gab es nicht. Hartwin hat in München eine kleine Wohnung, ich eine auf Usedom, dorthin haben wir uns zu unseren Klausuren zurückgezogen. Es war eine wunderbare Zusammenarbeit.
Man kann also tatsächlich zu zweit ein Buch schreiben?
Ja, ich hab das ja schon öfter gemacht, mit Götz George schrieb ich mal einen „Schimanski“-Roman. Wichtig ist, dass die Chemie zwischen den Autoren stimmt. Und dass einer den Hut aufhat.
Johann Georg Kerner haben Sie am meisten Platz im Buch eingeräumt.
Ja, das ist auch der Spannendste. Der Karl Kerner war aufrecht und anständig. Er brachte es bis zum Minister. Aber der eigentlich mutige und rebellische unter den Brüdern war der Georg. Er hat als Armenarzt in Hamburg gearbeitet und tolle medizinische Erfolge erreicht. Er schuf das Entbindungswesen neu und revolutionierte das Impfwesen. Und dann das tragische Ende: Er war ja noch jung, als er sich im Krankenhaus vermutlich mit Flecktyphus angesteckt hat und daran starb.
Justinus, der ebenfalls Mediziner war, hat auch herumexperimentiert.
Stimmt, er hat vergammelte Wurst gegessen – es aber überlebt.
Könnte am Wein gelegen haben?
Gut möglich, er soll ja bis zu drei Liter am Tag getrunken haben.
Gleichwohl schwärmen Sie mehr für Georg.
Ja, das ist die Figur, die Hartwin und mir am nächsten ist. Georg Kerner war eine imponierende Persönlichkeit. Als sich Napoleon zum Kaiser krönen ließ und klar wurde, dass der kein Revolutionär ist, hat Georg Kerner seinen Dienst bei den Franzosen hingeworfen. Das war damals nicht ungefährlich. Eigentlich hätte man dem Georg allein einen Roman widmen können. Aber der Gerechtigkeit halber muss man sagen, dass jeder der Kerner-Brüder auf seine Weise höchst begabt war. Man kann sie durchaus in einem Atem mit Alexander und Wilhelm von Humboldt nennen.
Ihr Buch ist ein Roman. Wo endet die Geschichtsschreibung, wo beginnt die Dichtung?
Mein Mitautor hat viele Fakten über das Leben der Kerners zusammengetragen. Die Aufgabe des Schriftstellers besteht darin, Szenen daraus zu machen. Wenn man etwa weiß, dass Georg Kerner in einem Schweizer Dorf auf den Pädagogen Pestalozzi traf und was die beiden voneinander gehalten haben, ist der Rest für mich als Autor vergleichsweise einfach. So bin ich auch in meinen Autobiografien vorgegangen. Wenn es gut läuft, geht schon mal der Gaul mit einem durch.
Sie haben „Die Kerners“ zwischen dem zweiten und dem dritten Band Ihrer Autobiografie geschrieben. Haben Sie sich eine Verschnaufpause gegönnt?
Ja, das kann man so sagen. Ich wollte einfach mal durchatmen und was anderes machen, bevor ich mich an den dritten Teil mache. Der fällt mir besonders schwer, weil er am nächsten zu meiner heutigen Situation ist und ich schwierige persönliche Geschichten erzähle. Als Nächstes planen wir ein Buch über den Ingenieur und Schriftsteller Max Eyth. Der Gromes recherchiert schon wie der Teufel.
Scheint so, da haben sich zwei gesucht und gefunden.
Ja, wir kennen uns schon sehr lange. Obwohl ich 20 Jahre Journalist war, ein begeisterter Rechercheur war ich nie. Insofern war mein Weggang vom „Spiegel“ ein großes Glück für mich. Fortan musste ich nicht mehr recherchieren, sondern konnte fabulieren.
Kaum jemand in Deutschland hat so viele Drehbücher geschrieben wie Sie. Ich vermute, aus finanziellen Gründen müssen Sie nicht mehr arbeiten.
Wer so viel gemacht hat wie ich, der hat auch viel verdient, gar keine Frage. Ich habe für zwei, drei Leben ausgesorgt.
Was treibt Sie also an?
Der Spaß am Schreiben. Ich weiß gar nicht, was ich sonst tun sollte. Morgens aufstehen und warten, bis ich abends wieder ins Bett kann? Das kann ich mir nicht vorstellen. Im Grunde ist das Schreiben für mich keine Arbeit, es ist ein Vergnügen.
Felix Huby und Hartwin Gromes lesen aus „Die Kerners“ am 25. April im Café Muckensee in Lorch, am 27. April im Bürgerhaus in Dettenhausen, am 3. Mai im Gemeindehaus Weststadtgemeinde in Ludwigsburg, am 4. Mai im Bunten Bücherladen in Filderstadt. Beginn jeweils 20 Uhr.