Diese Biber-Fraßspuren bei Alfdorf sind erst wenige Wochen alt – für Uwe Hiller ein Zeichen, dass das Nagetier sich in immer noch in der Nähe aufhält. Foto: Gottfried Stoppel

Der Biber wird im Rems-Murr-Kreis wieder heimisch. Seine Aktivitäten werden von ehrenamtlichen Biberberatern beobachtet. Sie sollen bei Konflikten helfen.

Alfdorf - Spaziergänger müssen die befestigten Wege rund um den Leinecksee nicht verlassen, wenn sie Spuren des Bibers sehen möchten. Die umgestürzten Bäume auf der Insel in der Seemitte sind eine Hinterlassenschaft des größten europäischen Nagetiers. „Am See ist er aber nicht geblieben, da ist ihm zu viel los“, sagt Uwe Hiller. Er ist einer von neun ehrenamtlichen Biberberatern im Rems-Murr-Kreis, die im Rahmen des landesweiten Bibermanagements vom Regierungspräsidium Stuttgart ausgebildet worden sind: „Hier beweist der Landkreis Weitblick“, sagt der 49-Jährige.

Biber schon überall in der Region Stuttgart gesichtet

Denn es gibt im nördlichen Kreisgebiet zwar erste Besiedelungsansätze des Bibers, von einer lokalen Population möchte der Landkreis aber noch nicht sprechen. Uwe Hiller berichtet von rund fünf Biberrevieren, „und wenn man davon ausgeht, dass es pro Revier etwa drei Tiere sind, dann haben wir 15 bis 20 Biber im Kreis“, rechnet er vor. Für ihn ist es eine Frage der Zeit, bis das streng geschützte Tier alle Gewässersysteme im Kreis erobert hat – auch die Rems. „Die Frage ist eigentlich nicht, ob er diese besiedelt, sondern auf welchem Weg er dorthin kommt. Schließlich gibt es sogar am Neckar bei Plochingen Biber.“

Tatsächlich hat sich der Biber nicht nur im Rems-Murr-Kreis, sondern auch in den Landkreisen Esslingen und Göppingen fest angesiedelt, aus den Kreisen Ludwigsburg und Böblingen wurden immer wieder durchwandernde Einzeltiere gemeldet. Das Regierungspräsidium sowie die unteren Naturschutzbehörden bereiten sich darauf vor, dass die Biber mehr als 150 Jahre nach ihrer Ausrottung wieder heimisch werden – indem etwa ehrenamtliche Biberberater ausgebildet werden. Diese sollen ihr Fachwissen weitergeben und in Konfliktsituationen helfen.

Biberdamm hat Freibadwiese geflutet

Im Rems-Murr-Kreis hält sich der Handlungsbedarf in Grenzen, in anderen Kreisen mussten und müssen bereits Probleme gelöst werden. In Wiesensteig (Landkreis Göppingen) hat ein Biberdamm im vergangenen Jahr die Fils so weit aufgestaut, dass eine benachbarte Freibadwiese überflutet wurde – dort sei laut Regierungspräsidium Stuttgart aber eine einvernehmliche Lösung gefunden worden. In Plochingen komme es am Neckarufer zu Einbrüchen durch gegrabene Uferröhren. „Hier wird vermutlich eine Ufersicherung erforderlich sein, um weitere Grabungen zu verhindern“, schreibt die Pressestelle auf Anfrage.

Im Naturschutzgebiet in der Nähe des Leinecksees können die Biber dagegen nach Lust und Laune bauen – wegen der vielen Weiden findet sie dort ideale Bedingungen und genug Nahrung. Uwe Hiller zeigt die Spuren der bis zu 30 Kilo schweren Tiere, „den Biber selbst sieht man nur ganz selten, weil er nachtaktiv ist und sich jetzt im Winter viel im Bau aufhält“, erläutert der Alfdorfer, der selbst erst ein einziges Mal einen Biber zu Gesicht bekommen hat.

Biber sind wahre Baumeister

Die Fraßspuren sind dagegen kaum zu übersehen. Die angespitzten Baumstümpfe stehen am Rande eines Weihers. „Der Baum selbst ist ihm eigentlich vom Umfang her zu groß, aber durch das Fällen kommt er an die dünneren Äste“, erläutert Uwe Hiller. An einigen Stellen fehlt die Rinde, auch diese knabbert der Biber gerne ab.

Der Biberberater entdeckt noch andere Spuren des Nagetiers. An der Gewässerkante hat das Tier sich einen Ein- und Ausstieg geschaffen, an einer anderen Stelle hat ein Biber sich sogar einen kleinen Kanal bis zu einem Baum gegraben. Und schließlich steht auf einer kleinen Halbinsel eine klassische Biberburg: „Dass dort ein Biber lebt, sieht man an den angenagten Astenden“, sagt Uwe Hiller, der davon ausgeht, dass dort sogar eine ganze Familie beheimatet ist. Hiller ist fasziniert: „Ich finde Biber interessant, weil sie ihren Lebensraum selbst gestalten und sich extrem anpassen“, sagt er. Die Tiere stauen sich Wasser an, wenn ihnen die Tiefe nicht ausreicht, und sind wahre Baumeister. „Deswegen bringt es auch nichts, einen Bau zu entfernen. Ganz davon abgesehen, dass das verboten ist – in wenigen Tagen wird wieder einer da sein“, berichtet Uwe Hiller.

Einen direkten Feind habe der Biber nicht. „Es kann höchstens sein, dass Füchse versuchen, sich einen Jungbiber zu holen.“ Die größte Gefahr droht dem Nagetier durch den Menschen – nämlich durch den Straßenverkehr.

Ansprechpartner Wer im Kreis Biberspuren entdeckt, Fragen zu Bibern hat oder auch Probleme mit Bibern, kann sich an die untere Naturschutzbehörde wenden. Zuständig ist Dietmar Reiniger, er ist erreichbar unter Telefon 0 71 51 / 5 01 27 39 oder per Mail an d.reiniger@rems-murr-kreis.de.

Das Bibermanagement im Land

Konflikte: Meistens entstehen Konflikte dort, wo Menschen und Biber denselben schmalen Uferstreifen nutzen. Wenn das Feld bis ans Gewässer reicht, frisst der Biber anstatt Sträuchern und Kräutern gerne einmal Feldfrüchte wie Mais oder Rüben. Seine Dämme können zu Überschwemmungen auf Feldern und Äckern führen, an unterhöhlten Ufern können Menschen oder Maschinen einbrechen.

Lösungen: Der wirkungsvollste Schutz vor Biberschäden besteht in einem zehn bis 20 Meter breiten ungenutzten Uferstreifen. Maschendraht, der um Stämme gespannt wird, kann verhindern, dass Obstbäume angenagt werden, zudem können Pflanzenkulturen durch Weidezäune geschützt werden. Eingebaute Drainagerohre sorgen dafür, dass das Wasser trotz Biberdamm abfließen kann. Ist die Standfestigkeit eines Uferdamms gefährdet, kann dieser ebenfalls mit einem Drahtgeflecht geschützt werden.

Prävention: Beim landesweiten Bibermanagement handelt es sich um ein Netzwerk von Ansprechpartnern, die bei Problemen mit Bibern helfen. Die ehrenamtlichen Biberberater arbeiten mit den Landratsämtern zusammen. Koordiniert und unterstützt wird das Netzwerk durch das Regierunspräsidium Stuttgart und seine Bibermanager.

Rechtliches: Der Biber ist international und national streng geschützt. Es ist nicht nur verboten, das Tier selbst zu stören, zu verletzen oder zu töten. Auch seine Wohnstätten dürfen nicht beschädigt werden. Dazu zählen auch Biberdämme, die eine Schutzfunktion für den Biberbau haben können. Nur mit einer naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung des Regierungspräsidiums dürfen diese in Einzelfällen entfernt werden.