Deutliches Zeichen: Martin Fourcade verlässt während der Siegerehrung der Mixed-Staffeln das Podium, die siegreichen deutschen Biathleten schauen etwas verwundert. Foto: AFP

Martin Fourcade dominiert den Biathlon-Sport, und er ist auch die Nummer eins, wenn es darum geht, Doping-Missbrauch in seiner Sportart anzuprangern. Das verdient Anerkennung – allerdings bewegt sich der Franzose dabei auf einem schmalen Grat, findet unser Redakteur Jochen Klingovsky.

Hochfilzen - Es gibt Sportler, Trainer und Funktionäre im Biathlon, die mögen Martin Fourcade nicht besonders. Weil der Franzose nicht nur ein außergewöhnlicher Athlet ist, sondern dies auch gerne zeigt. Zum Beispiel mit der Siegerfaust, wenn er vom Schießstand wegfährt, während die anderen noch das Gewehr in Händen halten. Oder indem er rückwärts über die Zielline fährt. Er hat auch schon mal die Skier vorzeitig abgeschnallt und ist die letzten Meter eines Rennens zu Fuß gelaufen. Das kommt nicht bei jedem seiner Konkurrenten gut an, manche werfen Fourcade Arroganz und Überheblichkeit vor. Einig sind sich aber alle in einem Punkt: Für seine Ergebnisse gebührt dem 28-Jährigen höchste Anerkennung. Und zurzeit verdient er sich auch an anderer Stelle Respekt.

Fourcade ist der Anführer jener Athletengruppe, die im Kampf gegen Doping mehr Konsequenz fordert. Und er belässt es nicht bei Worten. Er handelt auch. Während der Siegerehrung der Mixed-Staffel verließ er bei den Weltmeisterschaften in Hochfilzen aus Protest das Podest, als die drittplatzierten Russen ihre Medaillen und Blumensträuße überreicht bekamen. Aus Sicht mancher Beobachter ein Eklat, klar. Aber noch mehr ein deutliches Zeichen, dass die Nummer eins der Szene nicht einverstanden damit ist, was gerade passiert. Bei den Russen. Im Biathlon. Im Weltverband.

Die Russen tun, als sei nichts gewesen

Im McLaren-Report werden 31 russische Biathleten beschuldigt, Teil des staatlich gesteuerten Dopingsystems gewesen zu sein. Zwei wurden von der IBU gesperrt, die Ermittlungen gegen 22 andere bereits wieder eingestellt – offiziell aus Mangel an Beweisen. Gegen die restlichen sieben Russen laufen Untersuchungen, einige sollen noch im Weltcup aktiv sein, womöglich sind sie auch bei der WM am Start. Namen nennt der Weltverband nicht, und auch sonst erweckt die IBU nicht den Eindruck, im Kampf gegen Doping eine Vorreiterrolle einnehmen zu wollen. Die Russen? Tun so, als sei nichts gewesen. Und provozieren. Für die Mixed-Staffel nominierten sie (entgegen der Absicht ihres deutschen Trainers Ricco Groß) in Alexander Loginow einen Athleten, der gerade erst eine zweijährige Sperre wegen Epo-Missbrauchs abgesessen hat. Das entsprach zwar den Regeln, doch damit setzten auch die Russen ein Zeichen: dass ihnen egal ist, was die anderen über sie denken.

Bemerkenswert

Fourcade zeigte, was er davon hält, und das ist bemerkenswert. Weil sich hier einer positioniert, der eine Sportart derart beherrscht, dass schon allein deshalb auch seine Leistungen zu hinterfragen sind. Ein Dominator als erster Dopingbekämpfer? Ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Ähnliche Aussagen und Taten wie von Fourcade sind jedenfalls von Supersprinter Usain Bolt (weltbester Leichtathlet), Radprofi Chris Froome (Tour-de-France-Sieger 2013, 2015, 2016) oder Schwimmer Michael Phelps (erfolgreichster Olympionike) nicht bekannt. Und trotzdem gilt für Fourcade: Er wandelt auf einem schmalen Grat.

Nur der Franzose selbst weiß, wie seine außergewöhnlichen Ergebnisse zustande kommen. Bisher hat er eine absolut weiße Weste, es gibt außer seiner Vormachtstellung keine Verdachtsmomente gegen ihn. Alle Fans der Sportart Biathlon müssen hoffen, dass es dabei bleibt. Und dass Fourcade im Kampf gegen Doping weiterhin seinen Mund aufmacht, Aktionen startet, auch mal provoziert. Weil das Thema zu wichtig ist, um es ruhen zu lassen.