Martin Fourcade leistete sich nur einen Fehlschuss, das war die Grundlage zu seinem Erfolg im Einzel über 20 Kilometer. Foto: AFP/Tiziana Fabi

Martin Fourcade galt bei vielen nach der Saison 2018/2019 fast schon als abgeschrieben, doch bei der Biathlon-WM in Antholz zeigt, der Franzose, dass er noch immer Großes leisten kann.

Antholz - Martin Fourcade ärgerte sich als hätte er den Lottoschein nicht abgegeben und nun wurden seine Gewinnzahlen gezogen. Dabei hatt er nur den letzten von 20 Schuss nicht ins Schwarze gebracht, etwa bei ein Uhr schlug das Projektil deutlich daneben ein. Immer wieder hämmerte sich Fourcade im Zielraum die Hände gegen den Kopf, als müsse er sich bestrafen für diesen Flüchtigkeitsfehler. Als aber Johannes Thingnes Bö noch einige 100 Meter vom Zielstrich entfernt war, hellte sich die Miene des Franzosen auf. Jetzt war er sich sicher: Die Goldmedaille im Einzel gehört mir.

Für Martin Fourcade muss diese Gewissheit wie eine Erlösung gewesen sein, als hätten die französischen Revolutionäre im Januar 1793 zu Ludwig XVI gesagt, er sei frei und könne gehen. Martin Fourcade, der Alleinherrscher des Biathlon, der Weltcup-Gesamtsieger von 2012 bis 2018, hat sich in Antholz zurück auf den Thron gekämpft, den Johannes Thingnes Bö in der vergangenen Saison gestürmt und erobert hatte – und nur wenige hatten geglaubt, dass der Franzose noch in diesem Leben darauf zurückkehren würde. „Diese Medaille ist mir enorm wichtig“, sagte der 31-Jährige, „ich bin stolz darauf, dass ich zurück auf diesem hohen Niveau mit Johannes bin.“

Fourcade hat gelernt, was Demut heißt

Die Deutschen hatten mit dem Ausgang des Rennens so viel zu tun wie die Mutter aller Bundesliga-Absteiger, der SC Tasmania 1900 Berlin, mit der Fußball-Meisterschaft 1966. Benedikt Doll landete mit vier Fehlern als Bester auf Platz zwölf. „Der Wind macht das Schießen unglaublich schwer“, sagte der Kirchzartener, „ich habe zwar sehr sauber gearbeitet, aber vier Fehler sind zu viel.“

Fourcade scheint sich während seiner unfreiwilligen Abstinenz von der Spitze verändert zu haben, hat Demut erlernt – zwar ist er Weltcup-Führender, aus Sicht vieler Fachleute nur deshalb, weil Bö zwei Weltcups wegen der Geburt des ersten Kindes ausgelassen hatte. In Antholz jedenfalls freute sich Fourcade über Bronze im Sprint, vor drei Jahren hätte er die Medaille noch im Keller versteckt. Und als sein Biathlon-Ziehsohn Emilien Jacquelin in der Verfolgung Gold gewann, knuddelte der Routinier den den 24-Jährigen und strahlte dabei. Der nun zwölfmalige Weltmeister hat sein Wertesystem neu kalibriert. „In den ersten zehn Jahren meiner Karriere habe ich fast nur gewonnen“, sagte er, „vergangene Saison hatte ich Probleme, habe kaum gewonnen und den Weltcup verloren. Wieder zurück zu sein, tut unbeschreiblich gut.“ Johannes Thingnes Bö hat es vernommen, der alte König ist noch nicht weg vom Fenster. Er kämpft noch um seinen Thron – und das mit der Weisheit und der Ruhe einer fortgeschrittenen Reife.