Andrea Henkel ist mit 34 Jahre die erfahrenste Biathletin im deutschen WM-Team Foto: dpa

Die Erfahrung von Andrea Henkel könnte bei der WM in Ruhpolding der Schlüssel zum Erfolg sein.

Ruhpolding - Waren es neun oder zehn? Andrea Henkel zuckt mit den Schultern und schaut sich fragend um. Bei wie vielen Weltmeisterschaften war sie denn gleich noch mal dabei? Es waren viele, und inzwischen würde sich eine Biathlon-WM ohne Henkel wohl anfühlen wie ein FC Bayern ohne Uli Hoeneß.

Dabei ist die Gefahr groß, Henkel zu übersehen, denn die Größte ist sie ja nicht gerade. Mit 1,58 Metern ist sie der Floh im deutschen Team. Und trotzdem jagt sie schneller die Hügel hinauf, als es ihren Konkurrentinnen lieb ist. Die Thüringerin ist zweifache Olympiasiegerin (2002 in Salt Lake City ), siebenmalige Weltmeisterin, Gesamtweltcup-Gewinnerin 2006/07, und sie hat mehr als 300 Weltcuprennen auf dem Buckel. Mit ihren 34 Jahren ist sie die Grande Dame unter den deutschen Mädels. Die Kolleginnen sind zehn Jahre jünger und Henkel die letzte Mohikanerin einer glorreichen Generation.

Trotzdem ist sie nicht so umschwärmt wie Magdalena Neuner, der blonde Star aus Wallgau. Dafür ist sie zu wenig glamourös, auch wenn sie seit Jahren dabei ist. Sie ist nett, lächelt oft und saugt mit ihren großen, braunen Augen alles auf. Außergewöhnliches aber liefert sie höchstens auf der Strecke und am Schießstand ab. So geht es seit Jahren. Selbst eine Weltmeisterschaft im eigenen Land haut Henkel nicht mehr vom Hocker.

„Ich bin deutlich besser in Form als 2004“

Das riecht ja fast schon nach Langeweile. Diese Befürchtung hatte sie selbst auch und ging in der Vorbereitung neue Wege. „Zum Glück hat sich die Gelegenheit geboten, das Training individuell zu gestalten“, sagt Henkel. Mal ein bisschen was anders machen, die ausgetrampelten Pfade verlassen. Bisher hat es sich gelohnt: „Ich bin so gut drauf wie die ganze Saison nicht.“

Klingt gut, vor allem weil es im Weltcup in diesem Winter nicht so lief, wie es sich Henkel gewünscht hat. Anfang Januar lief sie in Oberhof zum ersten Mal aufs Podium (Rang drei). Ganz oben stand sie erst in Oslo nach dem Massenstart, beim vorletzten Weltcup vor der WM. Dazwischen herrschte Flaute.„Ich bin froh, dass ich noch einmal nach vorne gekommen bin“, sagt sie. Das gibt Selbstvertrauen. Und deshalb setzt sie sich zwei Staffelmedaillen und eine im Einzelwettbewerb, „egal welche und egal in welchem Rennen“, als Ziel. Andrea Henkel weiß eben, was sie möchte.

Sie setzt sich jedoch nicht unter Druck, sie wird nicht hektisch. „Für mich ist die WM kein Stress. Es ist der pure Spaß“, versichert sie. Anspannung verspürt Frau Henkel einfach nicht, auch nicht, wenn insgesamt 200.000 Zuschauer erwartet werden. „Ich will das gar nicht ausblenden, wenn ich laufe oder zum Schießstand fahre. Ich bin mir bewusst, dass es eine Heim-WM ist.“ Dass die letzte Weltmeisterschaft in Deutschland nicht gerade die ihre war, ist vergessen. „Ich bin deutlich besser in Form als 2004“ sagt Henkel. Damals lief sie lediglich ein Rennen.

Bis Olympia will Henkel weitermachen

Doch was macht diese Frau seit Jahren so stark? Mit einem Mentaltrainer arbeitet sie nicht zusammen. An Glücksbringer glaubt sie ebenfalls nicht. „Ich hatte früher welche, aber dann hat es nichts gebracht.“ Deshalb wurden sie abgeschafft. Es kann also nur die Erfahrung sein. Das meint auch Gerald Hönig, der Cheftrainer der Frauen. „Bei der Heim-WM könnte sie gerade davon profitieren“, sagt er. Und Magdalena Neuner ist froh, eine der Erfahrensten im Team zu haben.

Henkel war schon lange da, bevor Neuner einen neuen Biathlon-Hype entfachte, aber viel wichtiger ist: Sie wird auch noch da sein, wenn Neuner schon aufgehört und eine riesige Lücke hinterlassen hat. Dann wird Henkel so wertvoll sein wie nie zuvor, und sie wird die größte und vorerst vielleicht auch einzige Hoffnung im deutschen Frauenteam sein.

Aber auch das macht sie nicht nervös. Henkel hat schon viele kommen und gehen sehen: Kati Wilhelm, Simone Hauswald, Martina Beck – um nur ein paar zu nennen. Sie selbst will weitermachen. Zumindest bis zu Olympia in Sotschi 2014. Länger nicht. „Irgendwann ist ja mal gut“, meint Henkel. An diesem Donnerstag (15.30 Uhr/ZDF) ist sie mit der Mixed-Staffel das erste Mal in Ruhpolding im Einsatz. Dann wird etwas passieren, was sie so noch nicht erlebt hat. Als Startläuferin wird sie die WM fürs deutsche Team eröffnen. Das ist selbst für die Grande Dame etwas Besonderes – bei ihrer WM Nummer 13.